Berichte über Massengräber werden weiter geprüft

■ EU will ihre Untersuchung fortsetzen. Belgrad protestiert gegen „unverschämte Lügen“

Wien/Belgrad (rtr/dpa/taz) – Die Europäische Union (EU) will nach Angaben aus österreichischen Regierungskreisen Berichte über angebliche Massengräber in der serbischen Provinz Kosovo weiter prüfen. Es könne nicht völlig ausgeschlossen werden, daß es in Orahovac Massengräber gegeben habe, verlautete am Mittwoch abend aus dem Außenministerium in Wien. Bisher hätten sich Presseberichte nicht bestätigt, wonach dort 500 Menschen verscharrt worden sein sollen. Die Beobachter der EU im Kosovo versuchten aber, ihre Untersuchung fortzusetzen. Denkbar sei es, bei den serbischen Behörden genauere Untersuchungen zu beantragen. Auch das Auswärtige Amt in Bonn will Berichte über ein gewaltsamens Vorgehen jugoslawischer Sicherheitskräfte gegen die Zivilbevölkerung im Kosovo überprüfen. Die Plünderung von Dörfern und andere Übergriffe würden „sehr ernst“ genommen. Diesen Vorwürfen werde durch die diplomatische Beobachtermission im Kosovo „im Einzelfall nachgegangen“, versicherte der stellvertretende Sprecher des Auswärtigen Amtes, Markus Ederer, gestern. Die menschenleeren Dörfer und entvölkerten Landstriche im Kosovo sprächen eine deutliche Sprache. Eine Politik, die auf solche Folgen abziele oder sie in Kauf nehme, „ist durch nichts zu rechtfertigen“, sagte Ederer.

Unterdessen zitierte auch die Washington Times in ihrer gestrigen Ausgabe Aussagen von Zeugen in Orahovac, wonach die Leichen Hunderter Kosovo-Albaner in Massengräbern verscharrt worden sein sollen. „Die Toten wurden von Roma begraben, ich habe daneben gestanden“, wird ein Anwohner zitiert. 567 Leichen habe er gezählt, davon seien mindestens die Hälfte Kinder gewesen.

Bereits am Mittwoch abend hatten die jugoslawische und die serbische Regierung scharf gegen Berichte über Massengräber im Kosovo protestiert. „Diese Lügen konnte nur der journalistische Abschaum erfinden“, sagte der jugoslawische Informationsminister Goran Matič im serbischen Staatsfernsehen. Auch die Belgrader Botschaft in Bonn protestierte in einem Brief an die taz gegen „unverschämte Lügen“, die der Bericht über die angeblichen Massengräber enthalte.

Der Sprecher des Belgrader Innenministeriums, Oberst Bozidar Filic, sagte auf die Frage, ob die serbischen Behörden einer Exhumierung und Untersuchung unter internationaler Beobachtung zustimmen würden, daß dies „vom Staatsanwalt abhängt“.