„Wie Schwerverbrecher behandelt“

■ Interview mit Birte Fischer, der Verlobten von Abbas A., über die Repressalien, denen sich die Familie ausgesetzt fühlt

Abass A. ist auf der Flucht vor der Polizei. Der 18jährige Togoer soll abgeschoben werden (siehe taz 6.8.). Auf der Suche nach ihm hat die Polizei die Wohnung seiner Verlobten Birte Fischer aufgebrochen. Die Familie fühlt sich beschattet. Die taz sprach mit Birte Fischer und mit ihrer Mutter Insa Gerdes (44).

Frau Fischer, wann haben Sie ihren Verlobten Abass zum letzten Mal gesehen?

Birte Fischer: Am Montag, da hatte er noch keine Ahnung, daß er abgeschoben werden sollte.

Was ist das für ein Gefühl, wenn der Verlobte von der Polizei gejagd wird, weil er abgeschoben werden soll?

Es ist schrecklich. Heute habe ich einen Anruf bekommen, daß Abass' Geburtsurkunde angekommen ist. Nächste Woche sollen sein Reisepaß kommen und die anderen Papiere. Wenn alles glatt geht, könnten wir in einem Monat heiraten. Aber jetzt, wo die Polizei Abass sucht, steht alles wieder auf der Kippe. Es ist fürchterlich.

Wo haben Sie Abass eigentlich kennengelernt?

Durch eine Freundin. Wir haben uns sofort verstanden.

Und wie lange sind Sie jetzt zusammen?

Heute genau auf den Tag ein halbes Jahr.

Würden Sie eigentlich auch heiraten, wenn Ihr Verlobter nicht Togoer und von der Abschiebung bedroht wäre?

Das kann ich nicht sagen. Der Druck ist natürlich da, aber für uns stand ziemlich schnell fest, daß wir heiraten wollten, weil wir gemerkt haben, daß wir zusammengehören.

CDU-Innensenator Borttscheller läßt fast keine Woche aus, um in der Zeitung, im Fernsehen oder im Radio eine schärfere Abschiebepraxis zu fordern. Was empfinden Sie, wenn Sie diese Reden hören?

Ich kann nicht verstehen, wie man so mit Menschen spielen kann. Für ihn ist Abass wahrscheinlich nur eine Nummer. Wie kann man jemanden abschieben in ein Land, von dem man vermuten muß, daß er umgebracht wird?

Spricht Abass mit Ihnen über seine Befürchtungen?

Nein. Von selbst fängt er nicht an, davon zu reden. Man muß ihm alles aus der Nase ziehen. Aber abends weint er sich oft in den Schlaf. Ins Gefängnis müßte er wohl auf jeden Fall. Und die Überlebenschanchen sind gleich Null.

Die SchülerInnen des Schulzentrums an der Kornstraße engagieren sich für Abass und seinen Bruder Ibrahim. Für ihr Engagement haben sie schon zwei Preise eingeheimst...

Ich halte nicht so viel davon. Neulich war der Spiegel zu Gast im Schulzentrum. Obwohl wir vorher immer wieder gesagt haben, daß sie kein Foto machen sollen, haben die Journalisten es trotzdem versucht. Was hier gesprochen wird, das geht alles rüber nach Togo. Durch die ganzen Demonstrationen wird das alles aufgewirbelt. Wenn Abass und Ibrahim dadurch hierbleiben könnten, wäre alles in Ordnung. Aber so besteht die Gefahr, daß es alles noch schlimmer macht. In Togo herrscht Sippenhaft. Wenn, wie bei Ibrahim und Abass, einer im Verdacht steht, gegen die Regierung zu sein, wollen sie die ganze Familie ausrotten.

Die Polizei hat am Mittwoch abend Ihre Wohnung aufgebrochen und das Schloß ausgewechselt.

Ja, das war schlimm. Ich wußte erst gar nicht was los ist. Beschattet werden wir auch, jedenfalls haben wir das Gefühl.

Isa Gerdes, die Mutter von Birte: In Tränen aufgelöst hat meine Tochter abends hier angerufen. Drei Schlüssel hat man meiner Tochter gegeben und keiner hat gepaßt. Erst einen Tag später konnte sie wieder in ihre Wohnung. Es ist schlimm, was wir im Moment durchmachen müssen. Man kommt sich vor, wie ein Schwerverbrecher. Wir haben noch nie mit der Polizei zu tun. Vielleicht hatten wir mal ein Knöllchen am Auto. Jetzt werden wir beschattet, nur weil meine Tochter einen Togoer heiraten will. Wir haben Abass ins Herz geschlossen. Was die Behörden machen, ist eine Treibjagd und nichts anderes als versuchter Mord. Was hier schon für Tränen geflossen sind...

Was ist, wenn die Polizei Abass findet, bevor sie alle Papiere zusammen haben, um zu heiraten?

Birte Fischer: Ich hoffe und bete, daß es klappt, und ich werde bis zur letzten Sekunde nicht aufgeben.

Interview: Kerstin Schneider