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■ VorschlagModulierter Krach, kontrollierte Explosion: Die Large Hot Pipe Organ

Es gibt Künstler, die Lichtprojektionen auf den Machu Picchu werfen oder ein Environment kreieren, das den absoluten Frieden in die virtuelle Welt verlegt. Es gibt Größenwahnsinnige, die sich für Jesus halten, Genetiker, die den Menschen neu erschaffen wollen, und Unternehmer, die sich die halbe Welt kaufen könnten. Dagegen nimmt sich die Große-heiße-Rohre-Orgel wirklich klein aus. Meterlange rostige Rohre, wie sie normalerweise in dieser Metropole benutzt werden, um das Grundwasser in Baugruben abzupumpen, wurden von Bastiaan Maris und George Homsy aufgestellt und mit Gerüststangen verbunden. Im Unterschied zum Hoch- und Tiefbau jedoch befindet sich in den Rohren ein Gasgemisch, das bei Sauerstoffzufuhr explodiert. Das ist der Ton, um den es geht. Ein tiefes, wummerndes Dröhnen, das je nach Intensität auch in zwei Kilometer Entfernung noch zu hören ist.

Dieser Ton wird von dem holländisch-amerikanischen Duo mit Hilfe von Computern und Keyboards kontrolliert. Bestimmte Töne werden durch eine bestimmte Menge an verbranntem Gas erzeugt. Auch die Länge der verschiedenen Rohre verändert die Frequenz. Daraus entsteht modulierter Krach, der an der Grenze von Hörbarem und Spürbarem experimentiert. Manche Explosionen fahren direkt in den Bauch, lassen die Atmung stocken. Martialische Musik, nicht ohne Analogie zum derzeitigen Bauwahn in der Stadt. Damit nicht genug, lodern Flammen aus den Rohren: Rauchzeichen, visuell rhythmische Kompositionen, die nicht zu deuten sind.

Der Unterschied zwischen Künstlern, die im Überdimensionierten denken, und Genetiker oder Diktatoren: Sie zwingen ihre Visionen niemandem auf. Insofern ist es auch ein politisches Statement der holländischen Regierung, daß sie Bastiaan Maris und Co. zur Grundsteinlegung des Baus ihrer Botschaft am Rolandufer auf das Gelände eingeladen haben. Noch viel gewagter allerdings wäre es, wenn sie es so ließen: die Orgel als zeitgenössisches Denkmal; die Botschaft selbst in mobilen Baucontainern. De Luxe. Darauf die niederländische Fahne gehißt. Waltraud Schwab

Am 8.,15., 22., 29. August, 22 Uhr, Rolandufer, Ecke Klosterstraße

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