Berti läßt schwer grüßen

Die Fußball-Bundesliga im großen taz-Test (IV). Heute: Der Aufsteiger 1. FC Nürnberg sucht auch mit dem neuen Trainer Willi Reimann weiterhin emsig seinen Stil  ■ Tester: Bernd Siegler

Wie groß ist der Berti-Faktor?

Stilprobleme gibt es beim 1. FC Nürnberg eigentlich seit dem Ende der glorreichen Phase in den 20er Jahren, wo der fränkische Flachpaß dem deutschen Fußball nachdrücklich seinen Stempel aufdrückte. Nach der neunten Meisterschaft 1968 entwickelte der Club sich zur Fahrstuhlmannschaft mit einem kurzen Höhenflug 1988 in den Uefa-Cup und dem langsamen Abstieg in die Drittklassigkeit 1996. Ohne größere technische Finessen, dafür aber mit einer äußerst effektiven Spielweise – ganz nach dem Motto „Ein 1:0 reicht völlig“ – schaffte man den Durchmarsch in die Bundesliga und setzt jetzt auf Trainer Willi Reimann. Für den ist Fußball „ein hartes Stück Arbeit“, und junge Spieler haben „einfach keine Erfahrung“. Das riecht stark nach Berti. Deshalb: Berti-Faktor 73.

Wird Fußball gespielt?

Was sonst? Kein moderner Schnickschack wie Viererkette oder ähnliches, sondern ein klassischer Libero mit zwei knallharten Manndeckern an seiner Seite. Das nicht immer durch Kreativität hervorstechende Mittelfeld hilft nach hinten aus, so daß die Defensive stimmt. Als Spielmacher war Thomas Ziemer schon in der 2. Liga überfordert, so daß die Hoffnungen nun auf Neueinkauf Andrej Polunin ruhen, den man „Häßler der Ukraine“ nennt. Im Zusammenspiel mit dem wieselflinken, spielstarken und torgefährlichen Kapitän Michael Wiesinger und dem mazedonisch-tschechischen Stürmerduo Sasa Ciric und Pavel Kuka könnte durchaus Ansehnliches und Zählbares zu erwarten sein.

Wer hilft?

Seit 1994 hilft nur noch einer: Club-Präsident Michael A. Roth. Der hat, so Aufstiegstrainer Felix Magath, „nicht den Hauch einer Ahnung von Fußball“, dafür aber unbestritten ein glückliches Händchen in Geldangelegenheiten. Der 1. FCN, einst Schuldenrekordhalter, könnte im nächsten Jahr gar fast schuldenfrei sein. Roth will, wie schon zuvor Magath, nun Reimann den Rücken frei halten, damit der in Ruhe die Klasse erhalten kann. Denn im Jahr 2.000 steht das hundertjährige Vereinsjubiläum an, und das will man als Bundesligist feiern.

Wer stört?

Meist nur einer: Manager Georg Volkert. Der Intimfreund des Präsidenten ist verantwortlich für das wenig professionell anmutende Gebaren des Club. Wen hat er alles holen wollen für die neue Saison: den marokkanischen Superstürmer Abdeljalil Hadda, den Iraner Karim Bagheri, Andreas Zeyer, Marco Haber... alles heiße Luft. Wenigstens hat es mit Kuka noch geklappt. Wer noch stört, weil er sich nicht schämt, noch immer das Leibchen mit der Rückennummer 10 zu tragen: Marc Oechler. Das Nürnberger Eigengewächs kickt schon seit 1974 für den Club, hat schon 145 Bundesliga- spiele auf dem Buckel, aber scheinbar nichts dazugelernt. Daß er jetzt noch einmal in der Bundesliga darf, ist falsch verstandene Traditionspflege.

Wie will man Tore schießen?

Sehr gute Frage. Da gibt es eigentlich nur vier Möglichkeiten (in der Reihenfolge ihrer Wahrscheinlichkeit): 1. Kapitän Michael Wiesinger schnappt sich an der Mittellinie den Ball, umkurvt die gegnerische Abwehr und schießt unhaltbar in den Torwinkel. 2. Sasa Ciric legt einen langen Flugball genial per Hacke für Pavel Kuka ab, der eiskalt vollstreckt. 3. In einer Mischung aus Ente Lippens und Gerd Müller erledigt Ciric das Toreschießen per Kopf, Knie, Schulter oder sonstigen Körperteilen selbst – bevorzugt aus dem Gewühl heraus. 4. Verteidiger Thomas Richter trifft per Fernschuß. Das müßte doch reichen.

Allgemeines Qualitätsdefizit:

Der Club muß elf neue Spieler in die Mannschaft einbauen, die zwar vom Tabellenende der 2. Liga an die Spitze vorgestoßen ist, dann sich aber den Aufstieg gerade noch erstolperte. „Wir müssen schneller spielen, beweglicher werden und viel in taktischer Hinsicht lernen“, fordert Reimann. Na also, das müßte doch noch zu schaffen sein. Also optimistisch bleiben: Qualitätsdefizit: 55.

Was macht der Trainer?

Er glaubt an „Überraschungen“. Als Spieler wurde Reimann der „eiserne Willi“ genannt, als Trainer gilt er als Schleifer und harter Hund. Er will allen „Schlaumeiern und Wichtigtuern“ in der Bundesliga zeigen, wie man mit ehrlicher Arbeit auch zu etwas kommen kann. Sein Negativimage kompensiert er bisweilen durch ein Heinz-Erhardt-mäßiges Auftreten, und Teppichmogul Roth imponiert vor allem sein Spruch: „Bleibt auf dem Teppich, verlangt keine Wunderdinge von mir.“

Taugt der Torwart was?

Ja, der Ersatztorwart. U21-Keeper Darius Kampa könnte ein ganz Großer werden. Hoffentlich verdrängt er möglichst bald den Unsicherheitsfaktor Andreas Hilfiker im Club-Tor.

Wer ist der Beste?

Keine Frage. U21-Libero Frank Baumann und Kapitän Wiesinger waren in der zweiten und dritten Liga eine sichere Bank. Beide werden sich auch in der Bundesliga durchsetzen.

taz-Prognose: Eines steht wohl leider fest: In diesem Jahrtausend wird es mit der heißersehnten zehnten deutschen Meisterschaft für den Club nichts werden. Aber bangemachen gilt nicht: Platz 14.