Ein dutzendmal Sex, der keiner war

■ Niemand weiß, was Monica Lewinsky vor den Geschworenen über sich und Clinton ausgesagt hat. Spekuliert wird jedoch um so heftiger

Washington (taz) – Was hat Monica Lewinsky wirklich ausgesagt? Neun Stunden lang wurde die 25jährige am Donnerstag vor dem großen Geschworenenkollegium zu ihrer angeblichen Affäre mit US-Präsident Bill Clinton vernommen. Dem gingen tagelange Vorbereitungen der Zeugin durch Staatsanwaltschaft und durch ihre Anwälte voraus. Dabei soll Monica Lewinsky mehrfach weinend zusammengebrochen sein.

Ermittlungen vor einer sogenannten Grand Jury, die über die Eröffnung eines Strafverfahrens entscheidet, sind geheim. Kein Wort soll nach außen dringen, damit Zeugen vor Einschüchterung geschützt und Beschuldigte über die Beweislage im unklaren gelassen werden.

Was also hat Monica Lewinsky, die Zeugin der Anklage, ausgesagt? Wolf Blitzer, der Korrespondent des CNN im Weißen Haus, behauptet, es zu wissen. Ohne seine Quellen offenzulegen, berichtet er, Monica Lewinsky habe zugegeben, eine Art sexuelle Beziehung gehabt zu haben, die Bill Clinton selber als „unsexuell“ verstehen konnte. Derartigen Sex sollen beide ein dutzendmal gehabt haben, das Verhältnis soll 1995 begonnen haben.

Auch wenn außer den an der Vernehmung unmittelbar Beteiligten niemand wirklich weiß, was Monica Lewinsky gesagt hat, bedarf es nur etwas Phantasie, um sich auszumalen, was die Zeugin gefragt worden ist. Der Sonderermittler Kenneth Starr will unbedingt beweisen, daß der Präsident unter Eid falsch ausgesagt und Zeugen unter Druck gesetzt hat. Daher muß er Monica Lewinsky vorsichtig behandeln, schließlich ist sie seine Zeugin. Wie in einem richtigen Prozeß muß der Staatsanwalt auch bei den Vorermittlungen die Geschworenen für sich – und für seine Zeugin gewinnen. Gleichwohl werden er und die Geschworenen von Lewinsky Details wissen wollen.

Zudem gilt Monica Lewinsky als eine Zeugin von zweifelhafter Glaubwürdigkeit. Sie hat im Zivilverfahren von Paula Jones gegen Bill Clinton an Eides statt versichert, keine sexuelle Beziehung zum Präsidenten gehabt zu haben. In ihren Telefonaten mit Freundin Linda Tripp aber hat sie von ihren Abenteuern mit Clinton erzählt und dabei gesagt, sie lüge immer.

Diese heimlich von Tripp aufgezeichneten Telefongespräche waren Kenneth Starr übergeben worden und hatten die ganze Sache ins Rollen gebracht. Letztlich hängt Lewinskys Glaubwürdigkeit vom Testergebnis jenes ominösen Kleides ab, das derweil im FBI-Labor auf Samenspuren des Präsidenten untersucht wird. Was aber – so wird schon spekuliert –, wenn der Präsident sich hat sterilisieren lassen? Dann bleibt kein DNA-Fingerabdruck. Unklar ist noch, ob Lewinsky noch einmal vor das große Geschworenenkollegium gerufen wird. Nächstmöglicher Termin ist der Dienstag. Bill Clinton wird am 17. August per Videoschaltung vor derselben Grand Jury aussagen.

Derweil droht an einer ganz anderen juristischen Front eine weitere Lawine loszubrechen, die die Clinton-Regierung begraben könnte. Ein Untersuchungsausschuß des Repräsentantenhauses hat die Justizministerin zwangsvorgeladen, weil sie sich bisher geweigert hat, zwei Memoranda des ihr unterstehenden FBI herauszurücken, die die Forderung eines weiteren unabhängigen Ermittlers zur Untersuchung des Parteispendenskandals empfehlen. Justizministerin Janet Reno beruft sich darauf, daß diese nur zum internen Gebrauch bestimmten Berichte des FBI-Direktors sowie des Leiters der Sonderkommission zur Ermittlung illegaler Wahlkampfspenden Bestandteil des Entscheidungsprozesses sind, der frei von politischem Einfluß bleiben müsse.

Die Zwangsvorführung eines Kabinettsmitglieds und die Beschlagnahmung eines Dokuments aus einem Ministerium durch das Parlament wäre ein verfassungsrechtlich unerhörter Vorgang. Über die Vollstreckung dieser Zwangsmaßnahme wird erst im September entschieden. Peter Tautfest