Aus dem Immobilienstrudel in den Knast

■ Der Chef der größten bundesdeutschen Volksbank sitzt in U-Haft. Vorwurf: Betrug von 615 Anlegern. Dabei hat er nur einen Ausweg aus der ostdeutschen Immobilienkrise gesucht

Das märchenhafte Gebäude in Dresden versprach den Anlegern einst traumhafte Renditen. Doch die vom Zigarettenkonzern Reemtsma errichtete alte Fabrik „Tabakmoschee“, eine der bekanntesten Immobilien der Sachsenhauptstadt, bringt nun nicht das große Geld. Im Gegenteil: Sie ist Anlaß für einen der spektakulärsten Bankenskandale der Nachkriegsgeschichte. Seit Mittwoch sitzt Ulrich Misgeld, Vorstandssprecher der Berliner Volksbank, in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft am Landgericht Berlin wirft ihm im Zusammenhang mit dem Umbau der Fabrik zu Büroflächen Betrug von privaten Anlegern vor, die in einen Immobilienfonds investiert hatten.

Die Polizisten kamen in aller Frühe. Um 6.30 Uhr transportierten sie den Chef der größten deutschen Volksbank (Bilanzsumme 1997: 14,8 Milliarden Mark) in das Untersuchungsgefängis Moabit. Nachdem sie 18 Monate ermittelt hatte, scheint die Staatsanwaltschaft genug Belege für ihre schweren Vorwürfe gesammelt zu haben. Obwohl „allen Beteiligten die desolate wirtschaftliche Lage der Unternehmensgruppe“ Euwo und ihrer Fonds bekannt gewesen sei, habe unter anderem die Volksbank den Anlegern die „Solidität“ der Firma weiter „vorgetäuscht“, so die Ermittler. Damit seien die privaten Geldgeber um Millionenbeträge gebracht worden.

Die Verhaftung Misgelds und des früheren Euwo-Chefs Peter Schiansky wirft ein Schlaglicht auf die problematische Situation vieler Immobilienprojekte in Ostdeutschland und Berlin. Denn die beiden wählten nur einen speziellen – möglicherweise illegalen – Ausweg aus der Krise, die die gesamte Branche trifft. Banken, Bauträger und Immobilienentwickler sammelten in den vergangenen Jahren Milliarden Mark für Gebäudefonds – oft unter falschen Voraussetzungen. Man versprach den betuchten Geldgebern, in den neuen Berliner Büropalästen 90 Mark Miete pro Quadratmeter einzunehmen. Wegen der flauen Ostkonjunktur und des gegenwärtigen Überangebots sind aber oft nur 40 Mark durchsetzbar. Damit machen die Fonds Verlust statt Gewinn, müssen mitunter die Dividendenzahlung an die Anleger aussetzen und sie im Gegenteil weiter zur Kasse bitten, damit das Bauprojekt nicht pleite geht.

Ähnlich sah es wohl bei der Tabakmoschee in Dresden aus. Durch Finanzierungsschwierigkeiten des Bauträgers verzögerte sich die ursprünglich für 1994 geplante Fertigstellung bis in dieses Jahr hinein. Die Vermietung der teuren Etagen ließ sehr zu wünschen übrig. Obwohl laut Staatsanwaltschaft Volksbankchef Misgeld klar gewesen sein müsse, daß Moscheebauer Schiansky im Prinzip pleite war, genehmigte die Bank weiter Kredite für den Fonds – insgesamt 38,2 Millionen Mark.

Dadurch wurde die Fiktion einer gesunden Gesellschaft aufrechterhalten – mit für die Anleger verhängnisvollen Folgen. Aufgrund einer Vertragsklausel mußten die nämlich weiteres Kapital nachschießen, um das notleidende Projekt doch noch über die Runden zu retten. Misgeld mag die Hoffnung gehegt haben, mit dem zusätzlichen Geld der Anleger seine eigenen faulen Kredite bezahlen zu können. Außerdem tut die Branche alles, um keines der Katastrophenprojekte sterben zu lassen – ein Pleiteobjekt könnte weitere mit in den Orkus reißen und auf diese Art zu Verlusten im dreistelligen Milliardenbereich führen. Nun sitzt Volksbanker Misgeld in Untersuchungshaft, weil ihm illegale Machenschaften bei zwei Fonds vorgeworfen werden, die zwischen 1993 und 1995 rund 131 Millionen Mark von 655 Anlegern einsammelten.

Euwo ist jedoch nicht die einzige Firma, die bei Immobilienfonds keine glückliche Hand hatte. Mit erheblichen Schwiergkeiten hat auch die Kölner Fundus- Gruppe beim Dienstleistungsprojekt „Pyramide“ in Berlin-Marzahn zu kämpfen. Und die Bayrische Beamtenversicherung (BBV) mußte ihren Fonds-Gesellschaftern unlängst mitteilen, daß „der Generalmieter unseres Objektes in Dresden seine Mietzahlung eingestellt hat“. Deshalb sollen die Anleger auf Ausschüttungen in Höhe von 70 Millionen Markt verzichten. Der Bundesverband Finanzdienstleistungen geht davon aus, daß 70 Prozent aller geschlossenen Immobilienfonds „akute Problemfälle“ sind. Hannes Koch