Alle Erwartungen lasten auf Christa Luft

■ Im Rennen um das entscheidende dritte Direktmandat für die PDS wird es knapp für die PDS-Bundestagsabgeordnete Christa Luft. Die SPD profitiert von CDU-Wählern, die eher die SPD wählen als die zur

Die PDS braucht drei Direktmandate für den Wiedereinzug in den Bundestag, liegt aber Umfragen zufolge nur in den Wahlkreisen Treptow/Köpenick und Hellersdorf/Marzahn in Führung. In Friedrichshain/Lichtenberg liefert sich die PDS-Bundestagsabgeordnete Christa Luft ein Kopf-an Kopf-Rennen mit SPD-Bezirksbürgermeister Helios Mendiburu.

taz: Frau Luft, auf Ihren Wahlkreis kommt es jetzt an. Haben Sie das Gefühl, daß alle Erwartungen auf Ihnen lasten?

Christa Luft: Ich habe mich nicht in Sicherheit gewogen, als der Wahlkreis als sicher galt. Jetzt bin ich auch nicht in Panik. Aber es ist eine Herausforderung. Ich sage auch offen, das ist schon eine Last. Aber ich sehe auch für eine Reihe anderer PDS-Kandidaten gute Chancen.

Welche Faktoren spielen eine Rolle dafür, daß es diesmal knapp wird. Der Schröder-Effekt alleine wird es nicht sein.

Der Schröder-Effekt spielt sicher eine Rolle, aber ich stimme Ihnen zu, daß es das nicht alleine ist. Es spielt eine wesentliche Rolle, daß die CDU mit Angelika Barbe eine Kandidatin hat, die bei CDU-Wählern nicht allzu viele Stimmen holt. Für diejenigen, die sie nicht wählen wollen, ist der Sprung zur PDS zu groß. Die wandern eher zur SPD ab.

Wie kann es Ihnen als früherer DDR-Wirtschaftsministerin überhaupt gelingen, Wechselwähler der Grünen oder der SPD zu gewinnen? Wäre da nicht ein anderer Kandidat geeigneter?

Jeder Kandidat hat seine Vorzüge und hat irgendwelches Gepäck zu tragen. Ich habe bislang nicht gespürt, daß dieses Gepäck so schwer war, daß ich nicht mit allen ins Gespräch kommen könnte.

Was haben Sie als Wirtschaftsexpertin potentiellen grünen oder SPD-WechselwählerInnen zu bieten?

Ich sehe die PDS als Alternative für linke SPD-Wähler, die mit dem neoliberalen Wirtschaftskurs von Gerhard Schröder und seinem Schattenminister Jost Stollmann nicht einverstanden sind. Es gibt in der SPD linke Abgeordnete, mit denen ich im Wirtschafts- und Haushaltsausschuß gemeinsam den Arm heben könnte.

Wo sehen Sie Übereinstimmungen?

Das fängt an bei der Kulturförderung Berlins und reicht bis zu einem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor oder einer bedarfsorientierten Grundsicherung. Schröder will für arbeitsintensive Dienstleistungen wie Reparaturleistungen den Mehrwertsteuersatz senken. Das ist eine tolle Idee. [lacht] Sie ist nur nicht originell. Wir haben dies vor Monaten in den Bundestag eingebracht, weil wir darin eine Chance sehen, Arbeitsplätze im Reparaturhandwerk zu erhalten und vielleicht auch neue zu schaffen. Damit soll auch ein Stoppsignal gegen Ressourcenverschwendung gesetzt werden. Wer läßt heute seinen Staubsauger zweimal reparieren? Lieber wirft er ihn weg und kauft einen neuen. Reparaturen sind zu teuer geworden.

Wie wollen sie grüne WechselwählerInnen gewinnen?

Vor vier Jahren war meine Partei in Sachen ökologischer Steuerreform ein ziemlicher Waisenknabe. Inzwischen gibt es in der Grundphilosophie eine völlige Übereinstimmung mit den Grünen. Es ist höchste Zeit, den Ressourcenverbrauch ganz anders zu besteuern. Auch unser Vorschlag, vordringlich in Ostdeutschland regionalisierte Wirtschaftskreisläufe aufzubauen, stößt bei Grünen auf Zustimmung. Diese elend langen Transportwege, um Menschen mit Produkten des täglichen Lebens zu versorgen, sind ein volkswirtschaftlicher Irrsinn, der nicht mehr zu überbieten ist. Außerdem ist dies umweltschädlich.

Ihre Partei hat im Wahlkampf zunächst auf eine Regierungsbeteiligung der PDS gesetzt, als dies unrealistisch erschien, präsentierte man die PDS wieder als Oppositionspartei. Was ist Ihre Linie?

Das ist für mich gar nicht die vorrangige Frage. Mein Anspruch ist, daß die PDS für ihre Konzepte auch Finanzierungsvorschläge macht. Wir dürfen nicht immer nur die Wunschzettel vorlegen. Auch als Oppositionspartei müssen wir dies leisten, sonst können wir nicht den Anspruch erheben, irgendwann einmal mitzuregieren.

Setzen Sie jetzt verstärkt auf die Erststimmen, um das Direktmandat zu sichern?

Ich hielte es nicht für günstig, jetzt nur noch auf die Erststimme zu setzen. Wir haben von Anfang an die Doppelstrategie verfolgt, um beide Stimmen zu kämpfen. Und ich sehe nicht die Notwendigkeit, davon abzurücken. Es wäre ein Qualitätssprung, wenn die PDS von einer Gruppe zu einer Fraktion im Bundestag aufsteigen könnte. Das würde ganz andere Wirkungsmöglichkeiten eröffnen. Insofern fände ich es tragisch, wenn wir nur über die Direktmandate hineinkämen, so schwierig selbst das sein wird, die zu erringen.

Vor allem in Friedrichshain ist die Fluktuation der Bevölkerung groß. Junge Familien ziehen weg, Studenten ziehen nach, darunter viele Westdeutsche. Haben Sie als PDS-Kandidatin da überhaupt eine Chance?

Ich finde jedes Klischee unangebracht, zu sagen, das sind junge Leute, die können sich nicht für die PDS interessieren. Oder zu sagen, die kommen aus dem Westen und wollen die PDS nicht sehen. Man muß sich um jeden bemühen, man muß versuchen, ins Gespräch zu kommen. Man darf auch nicht beleidigt oder vergnatzt sein, wenn man da mal nicht so ankommt.

Es gelingt der PDS, die Stammwähler zu mobilisieren. Aber mit denen allein können Sie das Direktmandat nicht gewinnen. Bei welchen Zielgruppen werden Sie verstärkt um Stimmen werben?

Ich werde mich in den nächsten Wochen vermehrt um die Nichtwähler und die Unentschlossenen kümmern. Ich werde in jedem Fall Jugendliche ansprechen. Erfahrungsgemäß sind ein Drittel unserer Wähler junge Menschen unter dreißig. In Friedrichshain gibt es 48 Prozent Alleinerziehende. Das war bisher schon ein Schwerpunkt von mir und das wird auch in der nächsten Legislaturperiode so bleiben. Da muß etwas geschehen. Auch die 6.000 Rußlanddeutschen, die in Lichtenberg zugezogen sind, möchte ich ansprechen. Da ich in Moskau gelebt habe, russisch spreche und die Mentalität kenne, könnte dies ein Vorzug sein.

Was würden Sie tun, falls die PDS den Wiedereinzug in den Bundestag verfehlt?

[Lacht] Ich bin sicher, wir werden in den Bundestag einziehen. Aber wenn Sie schon diesen hypothetischen Fall ansprechen: dann hätte ich Zeit, mein sechstes Buch zu schreiben. Es wird Reflektionen über mein Leben enthalten, nicht nur über mich als Person, sondern eingebettet in ein gesellschaftliches Umfeld. Ich glaube, daß ich für die Lebensläufe vieler Menschen stehe. Interview: Dorothee Winden