Die USA sind in Afrika gescheitert

Die Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania könnten erst der Auftakt einer Kampagne gegen US-Institutionen auf dem Kontinent sein  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Offiziell weiß keiner etwas über die Urheber der Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania. Aber im Grunde liegt es auf der Hand: Wenn solche massiven Terrorakte in Afrika stattfinden, muß das etwas mit Afrika zu tun haben. Mit den Anschlägen liegt auch die US-Strategie in Afrika in Trümmern, und das zu einem Zeitpunkt, an dem sich die verschiedenen Konflikte quer durch Ost- und Zentralafrika zu intensivieren und zu verknüpfen scheinen – mit den USA in der Schußlinie.

Das US-Außenministerium verriet in seiner Erklärung am Freitag bereits, welche Sorgen man sich in Washington macht. „Wir wissen von keinen spezifischen Drohungen gegen US-Bürger oder US-Überseeinteressen im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Lage in Ostafrika, aber wir können die Möglichkeit wahloser Akte antiamerikanischer Gewalt nicht ausschließen“, hieß es. Von „wahllos“ kann allerdings bei solchen Anschlägen, die ein Sprecher des Weißen Hauses als „sehr gut koordiniert, sehr gut geplant“ charakterisierte, keine Rede sein.

Vielmehr deutet die Auswahl der Ziele auf die beiden Hauptstränge der US-Politik in dieser Weltregion: Zum einen die Feindschaft zwischen den USA und Sudan; zum anderen die US-Politik im Afrika der Großen Seen, die zuletzt durch die ruandische Förderung einer äußerst destabilisierenden Militärrevolte in der Demokratischen Republik Kongo kontrovers geworden ist.

Die US-Botschaft in Nairobi ist neben Kenia auch für den Sudan zuständig, und das von einer islamistischen Militärjunta regierte Land ist Hauptfeind der USA in Ostafrika. Beide bisher ins Spiel gebrachten möglichen Täter – der saudi-arabische Islamist Ussama Bin Laden und die ägyptische Islamistenorganisation Dschihad Islami – sind von sudanesischer Unterstützung abhängig. Erst am 29. Juli hatte die Afrika-Staatssekretärin im US-Außenministerium, Susan Rice, in einer Rede dem Sudan erneut die üblichen Vorhaltungen der Unterstützung des internationalen Terrorismus und der Destabilisierung von Nachbarländern gemacht. Im Krieg gegen Rebellengruppen, die vom Sudan unterstützt werden, arbeiten US-Militärberater mit Sudans südlichem Nachbarn Uganda zusammen.

Uganda ist auch das Bindeglied zwischen der sudanesischen Dimension und den Konflikten im Afrika der Großen Seen. Ugandas Regierung ist eng mit der Regierung Ruandas befreundet, die seit dem Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 von ehemaligen Tutsi- Guerillaführern dominiert wird. Tutsi-Militärs regieren auch in Burundi, Ruandas südlicher Nachbar. In beiden Ländern kämpfen Hutu- Rebellenbewegungen, und diese Rebellenbewegungen sind den USA feindlich gesonnen, weil die USA als Pate der jeweiligen Regierungen gesehen werden.

Wollten diese Gruppen US-Interessen treffen, wären Kenia und Tansania die einfachsten Tätigkeitsfelder: Nairobi ist Zentrum der militanten ruandischen Hutu- Exilanten, Daressalam informelle Hauptstadt für Burundis exilierte Hutu-Politiker. Tansania könnte zudem als Sitz des internationalen Ruanda-Völkermordtribunals für manche Mitglieder dieser Gruppen ein passables Feindblid abgeben.

Die politische Front der ruandischen Hutu-Milizen „Palir“ (Volk in Waffen für die Befreiung Ruandas), die aus Nairobi heraus operiert, hat in der Vergangenheit bereits Angriffe auf US-Bürger angedroht. Ruandische Hutu-Exilanten haben überdies Kontakte zu ostafrikanischen islamistischen Kreisen aufgebaut; Hassan Ngeze, vor dem ruandischen Völkermord Herausgeber der Hutu-Hetzzeitschrift Kangura und jetzt Gefangener des Ruanda-Tribunals im tansanischen Arusha, ist sogar zum Islam übergetreten.

Die Bomben in Nairobi und Daressalam explodierten knapp eine Woche nach Beginn des neuen Aufstands in der Demokratischen Republik Kongo (Ex-Zaire), der von Banyamulenge-Tutsi mit Unterstützung Ruandas geführt wird. Diese Revolte, die sich den Sturz des Kabila-Regimes im Kongo auf die Fahnen geschrieben hat, wird von vielen Beobachtern in der Region als Vehikel zur Ausweitung der Herrschaft der US-Alliierten Ruanda und Uganda über das Afrika der Großen Seen auf den Osten des Kongo gewertet, wobei die USA mindestens als Mitwisser gelten. Unter Anleitung von US-Militärberatern haben Regierungstruppen in Ruanda und Uganda in den letzten Monaten beträchtliche Erfolge gegen die Rebellen in ihren Ländern erzielt und diese immer weiter in den Kongo zurückgedrängt. Nun soll, so eine vor Ort verbreitete Sicht der Dinge, der Osten des Kongo faktisch vom Rest des Landes gelöst und den östlichen Nachbarn Uganda und Ruanda als Sicherheitszone überlassen werden. Die US-Ziele in der Region bestünden nach dieser Sicht in der Teilung des Kongo als Mittel zum Frieden im Afrika der Großen Seen, wobei die eigentlich ebenfalls mit den USA befreundete Regierung Kabila im Kongo, die sich seit ihrer Machtergreifung im Mai 1997 nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, fallengelassen werden müßte.

Viele Regierungsgegner im Afrika der Großen Seen sind bereits seit Monaten von der Realität dieses Szenarios unter der Führung der USA überzeugt und sehen den tatsächlichen Beginn des Banyamulenge-Aufstands gegen Kabila Anfang August als Bestätigung für den Beginn einer verhängnisvollen Entwicklung, gegen die jedes Mittel recht ist. Weitere Indizien sind die Vorstöße der ugandischen Armee nach Kongo auf der Jagd nach Rebellen in den letzten Monaten und die Reden des ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni vor dem Parteitag der regierenden „National Resistance Movement“ in Uganda im Juli, wo er einen Staatenzusammenschluß in der Region forderte.

Sind die Bomben von Nairobi und Daressalam also der Beginn eines transnationalen Kampfes gegen vermutete US-Interessen in der Region, wo sich die Interessen von sudanesischen Islamisten, ruandischen Völkermordorganisatoren und kongolesischen Zivilgesellschaftlern treffen? Es gibt Indizien dafür, daß die USA das so sehen. Die erste Reaktion auf die Anschläge bestand darin, die US- Botschaft in Uganda zu sichern und das Personal zu reduzieren. Besondere Sicherheitsvorkehrungen wurden auch für die US-Botschaften in Namibia, Ägypten und Simbabwe getroffen. Eine Gruppe von 40 US-Marines ist als Antiterroreinheit nach Afrika unterwegs. Auch sind sich die USA bewußt, daß mit dem Beginn der neuen Rebellion im Kongo der dortige Präsident Kabila endgültig ins feindliche Lager übergewechselt ist: Er beschuldigt wie einst Mobutu Ruanda der Aggression, spricht vom drohenden „Tutsi-Reich“ und verstärkt seine Kontakte zu anderen US-Gegnern weltweit. Sollte der Konflikt im Kongo andauern, könnte Kabila zusammen mit der Regierung Sudans und den Unita- Rebellen von Jonas Savimbi in Angola eine äußerst destabilisierende und schwer zu bändigende Allianz quer durch Afrika bilden.

Nicht zu übersehen ist, daß die offiziellen Ziele der USA in dieser Region Afrikas völlig gescheitert sind. Noch vor einem Jahr bestand ihre Hoffnung darin, durch enge Zusammenarbeit mit einer Reihe politischer Führer – Nelson Mandela in Südafrika, Laurent Kabila im Kongo, Paul Kagame in Ruanda, Yoweri Museveni in Uganda, Meles Zenawi in Äthiopien und Isaias Afeworki in Eritrea –, eine „afrikanische Renaissance“ ins Leben zu rufen. Heute sind diese Führer fast alle miteinander verfeindet, während US- Appelle zu außenpolitischer Kooperation oder zu innenpolitischen Reformen fast immer folgenlos bleiben. Das US-Konzept zur friedlichen Entwicklung Afrikas unter einer Reihe starker Führer ist tot.

Im Grunde haben die USA keine Afrikapolitik. Sie haben ein paar Ideale, auf die niemand hört, ein paar Freunde und ein paar Feinde, die sich aber nicht an die hergebrachten Washingtoner Freund-Feind-Schemata halten. Vielleicht tragen die vielen Toten von Nairobi und Daressalam dazu bei, daß man das jetzt merkt.