Rattengeile Ratten-Range

■ „Kumpel Ratte“ ist als Haustier im Kommen: Vitakraft prägt und nutzt den Trend

Der Ratte gehört die Zukunft. Der possierliche Nager, in der abendländischen Kulturgeschichte Sinnbild des Ekels, nimmt seinen Siegeszug in deutsche Wohnzimmer. Längst in der Minderheit unter den Rattenfreunden ist jener Grufti, der auf seiner schwarzgewandeten Schulter eine Ratte durch verrauchte Keller-Clubs schleppt. Der „Kumpel Ratte“, so sind nicht nur die Heimtier-Gurus der Firma Vitakraft überzeugt, ist besonders für Kinder und Jugendliche der ideale Gefährte.

In rund 80.000 deutschen Heimen treiben sich 150.000 sogenannte Farbratten herum, die von Laborratten abstammen. Ihre Zahl wird sich in den nächsten zwei bis drei Jahren fast verdoppeln, schätzt Dieter Meyer, Leiter Werbung und Öffentlichkeit bei Vitakraft. Seit der Fachmesse Interzoo im Sommer 1996 ist die bremisch/niedersächsische Traditionsfirma dabei, den Markt für Rattenprodukte zu schaffen, abzugrasen und den Trend zur Ratte voranzutreiben.

Dabei setzen die Achimer Strategen voll auf Jugendliche. Und Vitakraft geht ab von seinem bisherigen Usus, in der Werbung stets das Tier selbst in den Mittelpunkt zu rücken. Vitakrafts Rattenprodukte sind die einzigen des Sortiments, auf denen Menschen groß und Tiere klein abgebildet sind.

Coole Kids mit I love Rats-Shirts werben unter dem Spruch „rattengeil“ auf den bunten Packungen nicht nur für das Futter Prämium Menü. Auch Rocky, der artgerechte Nagerstein, Red Power, der getrockneten Rote Beete Würfel mit viel Eisen, Mc. Korn, die knackigen Maissticks und der kraftvolle Kräcker zum „Selbsterarbeiten“, den die Tiere selber auspacken müssen, sind im Angebot. 17 Produkte umfaßt Vitakrafts „Ratten-Range“, die mit dem „Ratten-Rap“ auf CD und Video beworben wird. „Freche Ratte – ist der Hit, sie macht einfach alles mit“, heißt es da. „Wir zwei, wir geh'n gemeinsam los / in der Schule – auf meinem Schoß / und der Lehrer darf's nicht wissen / doch wir zwei sind zu gerissen / in der Pause geht's dann raus / Zeit – für ihren Rattenschmaus“.

Mit seiner Kampagne setzt Vitakraft in der Tat Zeichen für das Heimtier Ratte. Das würdigt auch der Verband der Rattenliebhaber und Züchter in Deutschland (VdRD), eine Lobby-Gruppe, die mit eigenen Internet-Seiten, der Zeitschrift „RattGeber“ und 1.000 Mitgliedern zum „Abbau von Vorurteilen gegen Ratten und ihre Halter“ geblasen hat. Aber entgegen seiner Strategie handelt der Marktführer bei Ratten nicht in Eintracht mit den Tierfreunden.

„Es wird der Eindruck erweckt, das Tier sei unkaputtbar“, beklagt Anette Düdder, Sprecherin des Rattenverbandes. Ratten durch die Gegend zu schleppen , sei gefährlich, weil die Nachkommen der Labortiere wenig resistent seien und häufig nach wenigen Lebensjahren an Krebs oder Atemwegsleiden verendeten. Vitakraft verlasse seine alten Werte, die artgerechte Haltung in den Vordergrund zu stellen, so Düdders Kritik. Stattdessen vermarkte die Firma Ratten als Spielzeug, als „cool und trendy“. An der wahren Gruppe der Rattenfans, die vom Kind bis zur Rentnerin reiche, ziele die Werbung vorbei, sagt die 31jährige Grafikerin aus Mannheim: „Ich gehe doch nicht in den Laden und kaufe Kinderprodukte“. Im Übrigen dürften 10 bis 16jährige selbständig keine Tiere halten, insofern sei die Werbung und besonders der „Ratten-Rap“ schon fast eine „Anstiftung zur Straftat“. Auch sind manche der Vitakraft-Belohungshäppchen „absolut nicht“ in die Tiere hineinzukriegen, wie Rattenfreunde in Futtertest-Berichten im „RattGeber“ klagten.

Vitakraft-Mann Dieter Meyer hält die Kitik für unberechtigt. Nur weil in der Werbung die „Mensch-Tier-Beziehung“ thematisiert werde, bedeute das nicht, daß Vitakraft seine Philosophie artgerechter Tierhaltung aufgebe. Die „Ratten-Range“ sei eine „sehr erfolgreiche Serie“. Joachim Fahrun