Abass A.: Bürgermeister Scherf schweigt

■ Flug für Abass ist bereits gebucht / Anwalt hat Rechtsmittel eingelegt / Scherf schickt Referenten vor / Togoer weiterhin untergetaucht / Offener Brief von seinem Bruder Ibrahim

Manfred Halbscheffel, der persönliche Referent von Bürgermeister Henning Scherf (SPD), ist dieser Tage ein leidgeprüfter Mann. Während sein Chef es ablehnt, Kommentare über die drohende Abschiebung des Togoers Abass A. (18) abzugeben, muß sich Halbscheffel etwas einfallen lassen. Er kennt die Fragen. Warum hat Scherf den SchülerInnen des Schulzentrums Kornstraße für ihr Engagement gegen die Abschiebung der Brüder Ibrahim und Abass A. einen Preis verliehen, wenn sie jetzt doch mitansehen müssen, wie Abass A. nach Togo ausgewiesen wird? Warum hat der Bürgermeister die SchülerInnen gelobt und ihnen seine Unterstützung zugesagt, wenn er sein Versprechen jetzt doch nicht halten kann?

Seitdem der Spiegel ihn einen „Anhänger folgenlosen Gutmenschentums“ genannt hat, wählt Halbscheffel seine Worte mit Bedacht: „Wir haben ein Ressortprinzip“, erklärt er. „Der Bürgermeister kann den Innensenator nicht anweisen, etwas zu tun oder zu lassen. Das hat auch sein Gutes. Daß die Schüler sich veräppelt fühlen, kann ich nachvollziehen.“

Abass A. ist noch immer untergetaucht. Sein Anwalt Günter Werner hat gestern gegen die drohende Abschiebung Rechtsmittel beim Verwaltungsgericht eingelegt. Die Chancen dafür, daß das Verwaltungsgericht die Abschiebung noch verhindert, stehen laut Werner schlecht. Das Stadtamt hat für den 13. August einen Flug für Abass A. gebucht. Sollte er vorher aufgegriffen werden, wird er in Abschiebehaft genommen.

Derweil „verzweifelt“ Bodo Bilinski, Lehrer an der Kornstraße, an der Frage“, wie er seinen Schülern nach den Ferien „pädagogisch vermitteln“ soll, daß „ihr Freund Abass trotz ihres preisgekrönten Engagements seinen Häschern ausgeliefert“ werden soll. „Die Schüler haben sich so wahnsinning engagiert und nun ist alles fürs Papier“, sagt Bilinski. „Herr Scherf war stark genug, gegen den Willen der CDU die Wehrmachtsausstellung nach Bremen zu holen. Aber wenn es um die Auseinandersetzung mit der Verfolgung von Flüchtlingen in der heutigen Zeit geht, ist Scherf sein politisches Geschäft wichtiger als der Einsatz für ein Menschenleben. Dabei ist er doch Mitglied der Lidice-Gesellschaft.“

„Vor zwei Jahren bin ich mit meinem Bruder Abass aus Togo geflüchtet, um dem Diktator, der selbst zu seinem Volk sagt: „Ihr wollt, daß ich durch euer Blut laufe“, zu entfliehen“, schreibt der 16jährige Ibrahim in einem offenen Brief an die taz. „Damals wußten wir nicht, in welches Land wir flüchteten, waren aber froh, als wir den deutschen Boden betraten, da wir uns in Sicherheit glaubten. Heute verstehe ich dieses Land nicht mehr. Wir sind unserem Tod entflohen, haben keine Familie mehr, und nun will man uns zurückschicken, da man uns nicht glaubt. Abass wird von der Polizei wie ein Mörder oder Schwerverbrecher behandelt. Wir wollen nicht viel von Bremen – nur leben können.“ Sein Freund Paul Bruns fügt im Namen der Schüler-Projektgruppe hinzu: „Was sollen wir für unsere Zukunft lernen, wenn man unsere Freunde in den Tod schickt?“

Aus dem Büro von Innensenator Ralf Borttscheller (CDU) gibt es gestern Nachmittag auf diese Frage keine Antwort mehr. Über Handy ist der Sprecher des Innensenators nicht zu erreichen. Und in seinem Büro geht ab 17 Uhr niemand mehr ans Telefon. Kerstin Schneider