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Originelle Geschenke Von Karl Wegmann

In unserer Küche steht ein Gangster. Er ist einen Meter groß, aus Zeitungspapier und Kleister und zu absolut nichts zu gebrauchen. „Das ist Al Capone“, versicherten mir meine Freunde, die mir den Staubfänger vor zwei Jahren zum Geburtstag schenkten. Nicht, daß sie ihn selbst gebastelt hätten, oh nein, sie haben das Ding käuflich erworben, das beweist ein kleiner Aufkleber unter dem linken Schuh des Pappkameraden; „Made in Philippines“ ist da zu lesen.

Seltsam, mag sich jetzt der eine oder andere fragen, wie kommen sie auf den Philippinen bloß dazu, amerikanische Gangster italienischer Abstammung aus alten Zeitungen und Tapetenkleister herzustellen und das Ganze dann nach Deutschland zu verschiffen? Die Antwort ist einfach: Wir Deutsche können nicht schenken! Wir haben keine Ideen, wir kaufen jeden Mist, wir denken nicht nach. Beim Geschenkekauf entwickelt der Durchschnittsgermane etwa soviel Phantasie wie eine Miesmuschel. Das haben die cleveren Filipinos geschnallt. Also sagen sie, „hey, macht euch keine Sorgen, wir denken uns für euch ein paar prima Geschenke aus“. Und schon greifen sie zu Altpapier und Kleber. Bei uns im Geschenkartikelladen stehen dann die Früchte ihres Geschäftssinns und kosten lockere 180 Mark. Schwer beschäftigte Leute wie Willy, Konscho und Bernhard, die ganz dringend noch ein Geburtstagsgeschenk für Karl brauchen, sehen das Gebilde und denken sich: „Toll, das ist aber mal originell, Karl hat mit Zeitungen zu tun, und Krimis mag er auch, das Teil ist gekauft.“

Was macht der Beschenkte nach dem Anschlag? Gleich wegschmeißen geht nicht, war doch gut gemeint. In den Keller damit? Geht auch nicht. Da verstopfen andere, ältere Geschenke die Regale. Zum Beispiel die echte Spätzlemaschine aus dem Schwarzwald, der maßstabgetreue Bausatz für das U-Boot „Roter Oktober“, das Auto, dem man eine Videocassette unter die Motorhaube schieben kann und das diese dann vor- oder zurückspult, wobei die ganze Zeit die Scheinwerfer leuchten, und ungefähr ein Dutzend weiterer, origineller Geschenke.

Während man also überlegt und den Zeiten nachtrauert, in denen eine Kiste Wein oder ein ausgesuchter Single Malt als Gemeinschaftsgeschenk höchst willkommen waren, wird der kleine, fette Zeitungsmann allmählich Familienmitglied. Er steht mal in jener Ecke, mal in einer anderen und versaut den Gesamteindruck, aber das wird längst nicht mehr wahrgenommen. Schließlich landet er in der Küche und arbeitet, dank breiter Hutkrempe, als Schlüsselablage. „Beim nächsten Sperrmüll isser dran“, hört man zwei-, dreimal die Woche – und zwar immer dann, wenn wieder mal ein Schlüsselbund von der schrägen Hutkrempe gerutscht ist. Aber der Termin wird immer wieder verpaßt.

Al Capone lebt also noch. Ich aber habe mir überlegt, wie man originellen Geschenken vorbeugen kann, und bin auf eine simple Lösung gestoßen: Wenn man Sammler ist, egal von was, brauchen die Freunde nicht lange zu überlegen. Eine Sammlung ist nie komplett und gesuchte Stücke immer willkommen. Also habe ich beschlossen, jetzt ostafrikanische Specksteinschnitzereien zu sammeln. Vorzugsweise Fische, speziell Flußdelphine in Blau oder meinetwegen auch Ocker.

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