Birmas Junta verhaftet demonstrierende Ausländer

■ Am 10. Jahrestag der Niederschlagung der Demokratiebewegung von 1988 warnt Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi im taz-Interview vor „neuen Massakern“

Rangun (taz) – Birmas Militärregime hat 18 Ausländer festgenommen und gestern beschuldigt, „Unruhe zu stiften“. Die Gruppe hatte am Sonntag an der großen goldenen Shwedagon-Pagode von Rangun, auf Märkten und an Straßenkreuzungen mehrere tausend Flugblätter verteilt, auf denen sie an die blutige Niederschlagung der demokratischen Proteste am 8. August 1988 erinnerte. In einem Interview mit der taz forderte die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi die regierende Junta zu Gesprächen auf.

Die Anführerin der birmesischen Demokratiebewegung wird von den Behörden streng überwacht und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Suu Kyi erklärte: „Wir wollen eine friedliche Lösung, und die muß durch Verhandlungen gefunden werden.“

„Wir haben euch nicht vergessen und unterstützen eure Hoffnung auf Menschenrechte und Demokratie“, stand auf den kleinen Handzetteln, die die ausländischen Aktivisten am Sonntag heimlich verteilt hatten und die eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit für Suu Kyi forderten. Die Polizei schnappte sechs der Demonstranten am Sonntag abend am Flughafen. Die anderen waren bereits zuvor in der Hauptstadt festgenommen worden – nachdem „Bürger der Polizei Meldung machten“, wie die Behörden erklärten. Organisiert hatte eine prodemokratische Birma- Organisation in Malaysia die Aktion. Deren Mitglieder sind Studenten und Mitarbeiter von Bürgerrechtsgruppen in Asien. Sechs Amerikaner beteiligten sich ebenfalls. Bis gestern war unklar, ob die Aktivisten vor Gericht gestellt oder nur abgeschoben werden. Die Innenstadt Ranguns, Hotels und der Flughafen waren gestern gespickt mit Geheimpolizisten und Informanten. Dies war offenbar die einzige Protestaktion in Birma anläßlich des zehnten Jahrestages der Massenproteste gegen die birmesische Militärherrschaft. „Die Angst ist viel zu groß“, sagte ein birmesischer Restaurantbesitzer in Rangun, „keiner würde es wagen zu demonstrieren, das ist viel zu gefährlich.“

Vor dem Haus der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi haben Polizei und militärischer Geheimdienst am Wochenende eine neue Straßensperre aufgestellt. Suu Kyis Telefon war zeitweise gekappt. Journalisten und Diplomaten wurden gehindert, sie zu besuchen.

Journalisten, denen es dennoch gelang, sie im Haus eines Mitglieds der Nationalen Liga für Demokratie zu interviewen, wurden anschließend von ganzen Teams von Geheimpolizisten in Autos, Taxen und auf Motorrädern verfolgt.

Die Einschüchterung der Militärs ist ganz offensichtlich wirksam, obwohl kaum Soldaten in Uniform in den Straßen zu sehen sind. Taxifahrer weigerten sich weiterzufahren, als sie merkten, daß ihnen Polizisten folgten. Andere Fahrer blieben gleich stehen und riefen den Agenten laut das Ziel der Fahrt zu, um nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten. Suu Kyi erklärte, sie werde sich nicht einschüchtern lassen und weiter für Demokratie kämpfen. Vor kurzem hatte sie sechs Tage lang in ihrem Wagen auf einer Straße außerhalb von Rangun gesessen, nachdem die Militärs sie hinderten, Mitglieder ihrer Partei zu besuchen. Jutta Lietsch

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