Nicht mehr nur Abschiebung

Senat will Frauenhändlern an den Kragen: Aussagewillige Opfer sollen mit Betreuung und neuer Identität geschützt werden  ■ Von Silke Mertins

Ein Bordell wird ausgehoben. Die Polizei nimmt Zuhälter und Prostituierte fest. Meist sitzen die Frauen kurz darauf in Abschiebehaft und die Männer aus Mangel an Beweisen wieder hinterm Steuer – auf den Weg nach Osteuropa, um neue „Ware“ abzuholen. Selten gelingt es den Strafverfolgungsbehörden, den Menschenhändlern den Prozeß zu machen. Aus Angst sind die wenigsten Opfer bereit, als Zeuginnen vor Gericht aufzutreten.

„Wenn die Frauen nicht stehenden Fußes ihre Bereitschaft erklären auszusagen, werden sie sofort abgeschoben“, beschrieb die Zweite Bürgermeisterin Krista Sager (GAL) gestern anläßlich der Vorstellung des 1999er Etats für das Senatsamts für Gleichstellung die gegenwärtige Schieflage. Die will Sager mit einem Schutzprogramm nun geraderücken.

Zusammen mit der Innenbehörde wurde eine Weisung erarbeitet, die vorsieht, daß die Opfer zunächst für vier Wochen ohne Auflagen eine Duldung bekommen. In dieser Zeit sollen sie in Ruhe und Sicherheit, betreut von muttersprachlichen Helferinnen, überlegen können, ob sie zu einer Aussage bereit sind. Wenn ja, wird ihr Aufenthalt für die Dauer des Prozesses verlängert. Die Frauen werden an einem sicheren Ort untergebracht und können anschließend eine neue Identität bekommen. Auch ein „Rückkehrerinnenprogramm“ ist geplant.

„Die Innenbehörde war sehr kooperativ und engagiert“, lobt Sager ihren Senatskollegen Hartmuth Wrocklage (SPD). Sie räumt aber ein, daß es „wohl aus dem Apparat heraus Bedenken gab“. In Kraft ist die Weisung noch nicht. Gemeinsam mit amnesty for women und der Bischöfin Maria Jepsen wurde das Konzept zwar erarbeitet. Doch es ist noch nicht geklärt, „wie wir das Geld zusammengeschaufelt kriegen“, so Sager. Sie könne sich vorstellen, daß „wir Pools bilden“, in denen muttersprachliche Betreuerinnen und RechtsanwältInnen zusammengefaßt sind und je nach Bedarf angefragt werden.

Als weiteren Schwerpunkt ihrer Gleichstellungspolitik sieht Sager den Bereich Lesben und Schwule. Die rechtliche Grundlage für die „Hamburger Ehe“ – auf dem Standesamt eingetragene Partnerschaften – soll noch vor den Bundestagswahlen den Senat passieren. „Der Entwurf ist fertig“, skizzierte Sager den Stand der Dinge. Derzeit laufe die Behördenabstimmung. Da sie als Gleichstellungssenatorin „die Feindlichkeit, ja fast den Ekel“ gegenüber Schwulen und Lesben „sehr deutlich“ mitbekommen habe, „wollen wir jetzt auch an die Schulen ran“. Der Gleichstellungsetat von 1,26 Million Mark ist jedoch winzig. Sager ist bei der Finanzierung auf die Gutwilligkeit der anderen Behörden angewiesen.

Eines allerdings kostete Sager keinen Pfennig: Sie setzte durch, daß Frauen bei der Verleihung der „Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes“ durch den Senat nicht länger benachteiligt werden. Sollten zunächst 39 Männer und drei Frauen für ihr Ehreamt ausgezeichnet werden, sind es jetzt 40 Männer und 42 Frauen.