Kein Platz für zwei Farmen

■ Namen sind wertvoll. Oft geraten Firmen darüber in Streit: Ein hanseatischer Fall

Am Anfang ist den Bremern bei der Lektüre des Fachblatts werben & verkaufen der Schreck in die Glieder gefahren. Da ist die eigene Firma gerade am Laufen, neue Büros sind bezogen, und nun dies: Großkopferte der Werbebranche eröffnen in Hamburg ihren eigenen Laden – und nennen ihre Agentur genauso wie die Bremer: Die Farm.

Die Konkurrenz, die den Bremer Jungunternehmern, die sich vornehmlich mit Internet-Design beschäftigen, den Namen streitig macht, hat es in sich: Oliver Leisse, früher Geschäftsführer bei der Hamburger Groß-Agentur Springer & Jacoby, und Peer Hartog, einst bei der nicht minder bekannten Agentur Scholz & Friends. Mit einem zweistelligen Millionen-Werbeetat der Ravensburger Spiele im Rücken wagen sie den Sprung in die Selbständigkeit. Ihr Konzept, das auch der Name Farm verdeutlichen soll: Die Kreativen sollen sich immer mal den Laptop schnappen und auf einer Farm in Südeuropa neue Ideen entwickeln.

Dumm nur für die Hamburger, daß die Bremer schon seit 1995 – als einige der Ur-Farmer noch an der Hochschule für Künste studierten – als Farm firmieren und seit 1997 eine GmbH namens farm concept & design GmbH im Handelsregister eingetragen ist. Im Internet sind sie unter farm.de zu finden. „Die haben offenbar überhaupt nicht recherchiert, ob der Name schon benutzt wird“, wundert sich Farmer Rainer Krause.

Die Kommunikationsbranche reagierte irritiert auf die neue Farm: Der Rat für Formgebung aus Frankfurt schickte ein verwundertes Fax nach Bremen. Und selbst Interna für die Hamburger Farmer trudelten bei den Bremern ein. Wie eine e-mail aus München, in der eine Bekannte sich mit dem Verweis auf alte frohe Zeiten um einen Job bei den Hamburgern bewarb. Für die Bremer war klar: Es besteht akute Verwechselungsgefahr. Erste Anfragen nahmen die Hamburger nicht ganz ernst: „Freundliche Grüße von Farmer zu Farmer“ sandten sie auf offiziellem (Hamburger) Farm-Briefbogen. „Vielleicht können wir ja mal was gemeinsam beackern.“

Als die Bremer dann per „wettbewerbsrechtlicher Abmahnung“ – inklusive einer anwaltlichen Kostenrechnung über 1.147,01 Mark – forderten, den Namen nicht mehr zu verwenden, boten die Hamburger 10.000 Mark für die Nutzungsrechte. „Lächerlich“, sagt BremenFarmer Krause. Deutlich sechsstellig hätte es schon sein müssen. Auch ein Deal wie „unseren Namen gegen eure Kunden“ hätte man in Bremen diskutieren können, meint Krause halb im Scherz – in Hamburg wohl eher nicht.

Also ging die Sache vor Gericht, ebenso wie jedes Jahr zahlreiche anderer Fälle, in denen zwei Parteien um Namen von Marken oder Firmen streiten. Genaue Zahlen über diese dem Wettbewerbsrecht unterliegenden Verfahren hat niemand in Deutschland. Anwälte bestätigen jedoch: „Das ist täglich Brot“. Prominent werden die Fälle dann, wenn etwa Ford und der Burda-Verlag über ein neues Automodell namens „Focus“ streiten.

Normalerweise, sagt Doris Möller vom Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT), sei der eigene Personen-Namen für die Firma immer noch der sicherste Schutz gegen Verwechslung. Ansonsten könne sie Neugründern nur zu guter Recherche in der eigenen Branche raten, um späteren Ärger zu vermeiden. Ein zentrales Register mit sämtlichen Namen der 1,8 Millionen Firmen gibt es in Deutschland im Gegensetz zu anderen Ländern nicht.

So zanken viele, wie die Werbe-Farmer aus den Hansestädten, um hohe Streitwerte, im Falle „Farm gegen Farm“ um 50.000 Mark. Für die 12. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg war die Sache schnell klar: Durch eine einstweilige Verfügung, „der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung“, verbot sie den Hamburg-Farmern bei Androhung von Ordnungsgeld, die Geschäftsbezeichnung „Farm“ oder „Die Farm“ zu verwenden.

Noch gaben sich die Hamburger nicht geschlagen: Ihr Anwalt legte zunächst Widerspruch ein. Die Bremer seien als Internet-Firma nicht mit einer klassischen Werbeagentur zu verwechseln, so das Hauptargument, außerdem wolle man sich „Farm Hamburg“ nennen. Als letzter Vorschlag kam dann, ganz humorig, „Die, die sich die Farm nannten“. Aber die Bremer Farmer blieben eisern.

Schließlich gaben die Hamburger auf und verzichteten auf eine Verhandlung vor Gericht. „Wir glauben, daß wir gute Chancen gehabt hätten“, sagt Agentur-Chef Oliver Leisse. Aber für die Neustarter sei es nicht möglich, bis zum Prozeß wochenlang ohne Namen zu arbeiten, weil dessen Benutzung ja verboten worden war. Aber schließlich ist man ja kreativ und „Namen sind“, wie Leisse sagt, „ohnehin nur Schall und Rauch“. Die angebotenen Dienste der Bremer Farm bei der Neubenennung wollten die Hamburger dann aber doch nicht in Anspruch nehmen. „Die Bremer sollten uns mal eine Kiste Sekt schicken, schließlich sind sie durch diese Geschichte enorm bekannt geworden“, findet Leisse.

Ihre Agentur nennen die Hamburger jetzt „Klaar Kimming“. Die alten Friesen bezeichneten hiermit den freien Blick auf den weiten Horizont. Joachim Fahrun