Die schönen Leiden des jungen W.

■ Die Kammerphilharmonie hat in einer überaus gelungenen Interpretation zweimal Wolfgang A. Mozart auf CD veröffentlicht

„Oh – es tut eine Wirkung – herrlich und groß, trefflich und hehr!“ Noch heute ist nachvollziehbar, was ein Zeitgenosse 1784 über Wolfgang Amadeus Mozarts Serenade Nr. 10 in B-Dur, KV 361, schrieb. Aus der unterhaltenden Gattung der sogenannten Divertimenti kommend, hat Mozart hier erstmalig die Bezeichnung „Sere-nade“ gewählt und sie melodisch und harmonisch gefüllt mit einer Expression, die für alle zukünftige Bläsermusik Maßstäbe setzte. Die blendenden Bläsersolisten der Deutschen Kammerphilharmonie präsentieren das Werk jetzt auf einer neuen CD ebenso delikat wie forsch und zupackend. Unter Leitung von Frans Brüggen, dessen Leidenschaft – als Blockflötist – wohl immer die Arbeit mit BläserInnen geblieben ist, kommt der spielerische Ausdrucksreichtum dieser Musik, aber auch ihr unüberhörbarer Ernst, wunderbar zur Geltung.

Dieses Werk wird kombiniert mit der sogenannten „kleinen“ g-Moll-Sinfonie, KV 183. Es ist bekannt, welch große Rolle der Charakter der Tonarten in Mozarts Werk spielt. G-Moll steht bei ihm im Unterschied zur Dramatik des d-Moll für grenzenlosen Schmerz – hier sei nur an die Arie der Pamina „Ach ich fühl's“, an das späte Streichquintett, an die zweitletzte Sinfonie KV 500 erinnert.

An der g-Moll-Sinfonie KV 183 erstaunt immer wieder, wie im Werk eines Siebzehnjährigen diese Dimension der Trauer schon ausgeprägt ist, abgesehen davon, daß das Schreiben von Sinfonien in Moll noch gar keine Selbstverständlichkeit war. Das Menuett beispielsweise verläßt mit seiner strengen Unisono-Technik und seiner Chromatik zu der Zeit noch ganz unüblich den höfisch anmutigen Gesellschaftstanz. Der Deutschen Kammerphilharmonie unter der Leitung von Frans Brüggen gelingt eine kräftige, ungemein spontan wirkende, leidenschaftliche Wiedergabe eines unkonventionellen und großen Werkes der Zeit, dessen literarisches Pendant Goethes „Werther“ sein dürfte: Der Paraderoman des „Sturm und Drang“ erschien 1774, ein Jahr nach dem Kompositionsjahr der g-Moll-Sinfonie.

Doch so schön diese Werkkombination und die Interpretation gelungen sind, so enttäuschend ist die Aufmachung der CD. Es handelt sich um den Mitschnitt eines Benefiz-Konzertes aus der Berliner Philharmonie für die Kinder von Tschernobyl der IPNNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War). Der gute Zweck sollte jedoch nicht dazu führen, auf qualifizierte Textbeilagen zu verzichten, aber gleichzeitig unverhältnismäßig ausführlich die Biographien der Künstler abzudrucken. Ute Schalz-Laurenze

Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 25 in g-Moll, KV 183 und Serenade Nr. 10 in B-Dur, KV 361. Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, Leitung Frans Brüggen. IPPNW-Concerts, Dr. Peter Hauber, Berlin. Zu beziehen über die Deutsche Kammerphilharmonie, Schlachte 1, 28195 Bremen; 39 Mark