Deutsch lernen beim Tagesspiegel

Der „kleine Türkisch-Kurs“ im Tagesspiegel erhitzt die dortigen Lesergemüter. Wie aber sieht es tatsächlich aus mit den Türkischkenntnissen der deutschen Berliner?  ■ Von Uwe Rada

„Abimi getirirsem görürsün!“. Das ist, wie manche zu Recht vermuten, türkisch und heißt in der Übersetzung von Suzan Gülfirat: „Du wirst schon sehen, wenn ich meinen großen Bruder hole!“.

Die bis dato vierzehnte Folge der Serie „Türkisch lernen mit dem Tagesspiegel“ überschrieb die Autorin Gülfirat am vergangenen Sonnabend mit der ironisch-bösen Unterzeile „Türkisch drohen mit dem Tagesspiegel“. Der Grund: Wütende Leser beschweren sich bei der Redaktion („Auch als linke Leserin hat man mal genug“) oder schreiben unappetitliche Briefe: „Nie wieder Tagesspiegel. Hier ist Deutschland“.

Mit solchen Reaktionen hatten weder Gülfirat noch Lokalchef Lorenz Maroldt gerechnet. Im Gegenteil: Einen kleinen Beitrag zur kulturellen und sprachlichen Verständigung wollte das Blatt, das sich gerne als „Weckdienst für die grauen Zellen“ versteht, seinen LeserInnen bieten.

Doch nun wurde aus dem Weckdienst unversehens ein Alarmsignal: „Ich bin ganz schön erschrocken“, sagt Suzan Gülfirat, die in den Leserreaktionen eine neue Qualität dieser Äußerungen ausmacht. „Im Vergleich zu früher sind Tabus gefallen. Die Leute meinen, sie können alles über Ausländer sagen.“ In Gülfirats Augen ist auch der scharf ums Thema Ausländer geführte Wahlkampf einer der Gründe für die Reaktion der Leser auf den Sprachkurs. „Viele Menschen orientieren sich an dem, was Politiker sagen“, meint die Journalistin.

Gleichwohl wollen weder der Tagesspiegel noch Suzan Gülfirat der Abstimmung mit Füßen folgen. In besagter Folge vom vergangenen Samstag ging es vielmehr um das Thema „Böse werden“. „Zweimal im Jahr, zum Opfer- und Zuckerfest“, schreibt Gülfirat, „passiert in der Türkei das, was hier in Deutschland Tag für Tag Schlichter und Gerichte erledigen müssen: Zerstrittene vertragen sich wieder.“

Im angehängten Wörterbuch steht deshalb: „Özür dilerim“. Das heißt: „Ich bitte um Entschuldigung“. Es fragt sich nur, wieviel graue Zellen bei den Tagesspiegel- Lesern geweckt werden müssen, um die Ironie der türkischen „Drohung“ zu vermitteln.