Strommultis mit Verzögerungstaktik

Seit der Öffnung der Strommärkte wächst die Nachfrage nach neuen Anbietern. Doch die bisherigen Monopolisten behindern den freien Zugang, sagen die Grünen und wollen das Energiewirtschaftsgesetz novellieren  ■ Von Dieter Rulff

Bonn (taz) – Die Drohung, die dem Bundesfinanzminister Mitte Mai auf den Tisch flatterte, war eindeutig. Wenn die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde für den Telekommunikationsmarkt in Frage gestellt würde, so schrieben die Vorstände von RWE und Veba an Theo Waigel, „wäre die Basis unseres Engagements gefährdet“. Damals plagte die beiden Betreiber des Mobiltelefons o.tel.o der Unmut über die Netz- und damit marktbeherrschende Stellung des Konkurrenten und früheren Monopolisten Deutsche Telekom. Was den Konzernen im Funkbereich recht ist, empfinden sie allerdings im Stromnetz noch lange nicht als billig. Denn hier gehören sie selbst zu den Netzbetreibern und nutzen ebenso wie die Telekom beim Telefon ihre Stellung aus, um lästige Konkurrenten nach der Öffnung des Marktes solange wie möglich fernzuhalten.

Diese Erfahrung mußte beispielsweise der schwedische Großanbieter Vattenfall machen, der auf den deutschen Markt drängt. Dessen deutscher Geschäftspartner Vasa Energy konnte bislang noch nicht einen Vertrag mit einem Kunden abschließen, obwohl er günstige Konditionen bietet. Und obwohl das vor neun Monaten beschlossene neue Energiewirtschaftsgesetz eine solche Liberalisierung des Strommarktes vorsieht. Anbietern ist seitdem der Zugang zum Markt gestattet, die bisherigen Monopolisten müssen die Durchleitung des angebotenen Stromes ermöglichen.

Vasa Energy kann sich, sagt Marcus Mattis, seitdem vor Anfragen kaum retten. Mattis, Mitglied der Unternehmensleitung, schätzt den Markt für die Neuanbieter auf 30 Prozent des deutschen Stromumsatzes. Diese Marge ließe sich in drei Jahren realisieren. Das wären 20 bis 30 Milliarden Mark, die den heutigen Monopolisten durch die Lappen gingen. Deshalb sind sie gegenüber den Neulingen auf dem Markt zwar nach außen hin freundlich, bleiben aber tatsächlich unverbindlich.

Konkrete Vereinbarungen über Liefermenge, -preise und -konditionen, klagt Mattis, kämen einfach nicht zustande. Vasa sieht sich durch die deutschen Stromkonzerne „behindert“. Ein Klageverfahren wäre allerdings langwierig und für kleinere Anbieter teuer. Um die Kartellbehörde wegen Wettbewerbsverzerrung anrufen zu können, müßten erst einmal Präzedenzfälle geschaffen werden. Das ist schwierig.

Diesem Zustand wollen nun die Grünen ein Ende bereiten. Die umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Michaele Hustedt, fordert fairen Wettbewerb auch im Stromnetz. Wie bei der Telekommunikation sollen der freie Netzzugang und die Preisgestaltung durch eine Schlichtungskommission überwacht und geregelt werden. Diese Funktion könnte auch vom Kartellamt übernommen werden.

Schaffen die Konzerne auf dem Strommarkt nicht, was sie auf dem Telekommunikationsmarkt fordern, so müsse das nach Hustedts Ansicht per Verordnung geregelt werden. Es müsse auch perspektivisch geprüft werden, „ob nicht eine eigentumsrechtliche Trennung der Netze notwendig ist“. Die Grüne bevorzugt neutrale Netzbetreiber. Die Verordnung müßte die Bundesregierung erlassen. Und das würde sie auch, sagt Hustedt. Vorausgesetzt, die Grünen wären an ihr beteiligt.