Keine Modellstadt für den Kombilohn

■ Vorschlag des Sozialforschers Miegel findet in Berlin keine Anhänger

Der Vorschlag des Sozialforschers Meinhard Miegel, die staatliche Subventionierung untertariflich bezahlter Arbeit nach dem Kombilohn-Modell zunächst in Berlin auszuprobieren, ist in der Stadt überwiegend auf Kritik gestoßen. Miegel hatte gesagt, wegen der „Ost-West-Komponente“ und des Charakters als „städtisches Ballungsgebiet“ sei Berlin ein „ziemlich idealer Standort“ für einen Modellversuch. Grundsätzlich äußerte sich der Leiter des Bonner Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft zwar skeptisch gegenüber den Kombilohn-Plänen, die die Bundesregierung heute vorstellen will. Solche Lohnzuschüsse könnten „sehr leicht unkontrollierbar werden“. Doch gerade deshalb plädierte er für einen „regional und zeitlich beschränkten Versuch“, etwa in einem einzelnen Berliner Bezirk. Als mögliches Beispiel nannte er Kreuzberg.

„Wir sind bereits Modellprojekt“, betonte hingegen Kreuzbergs Sozialstadträtin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Schon seit anderthalb Jahren gebe es im Bezirk ein Programm „Stelle statt Stütze“, das von Senat und Europäischer Union finanziert werde. Im Unterschied zum Kombilohn handele es sich aber nicht um einen Einstieg in untertarifliche Arbeitsverhältnisse. Die Lohnkostenzuschüsse seien auf ein Jahr begrenzt und an die dauerhafte Schaffung neuer Arbeitsplätze gebunden. Auch Arbeits-Staatssekretär Peter Haupt (SPD) lehnte das Kombilohn-Modell ab. Es führe „zu Lohndumping und Verdrängung von regulär Beschäftigten“.

Der Berliner DGB-Sprecher Dieter Pienkny erklärte, in Berlin und den neuen Bundesländern existiere bereits ein ausgeprägter Niedriglohnsektor, den ein Kombilohn-Modell „institutionell zu zementieren“ drohe. Statt „zynischer Lohndrückerei“ gelte es, qualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Arbeitgeber sind aus einem anderen Grund skeptisch gegenüber einem „langwierigen und kostspieligen Modellversuch“: Trotz mancher Bedenken im Detail sähen sie es lieber, wenn der Kombilohn „möglichst zügig“ flächendeckend eingeführt wird, sagte der Sprecher der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), Klaus-Hubert Fugger. Ralph Bollmann

Tagesthema Seite 3