Ein Wahlkreis mehr

■ Netzbürger gehen in Osnabrück zur Urne

Für die Wahl am 27. September ist die Bundesrepublik in 328 Wahlkreise aufgeteilt. Am Samstag kommt einer hinzu: der Wahlkreis 329, der nur im Internet existiert. Soziologiestudenten der Universität Osnabrück bestreiten damit ihre Semesterarbeit. Eine bloß akademische Übung ist dieses Projekt keineswegs. Der virtuelle Wahlkreis rührt vielmehr an den Nerv des Innovationsgeredes der Parteien. Die Spitzenkandidaten der fünf ernstzunehmenden Parteien – die DVU gehört an der Uni Osnabrück in diese Kategorie – stehen nach allen Regeln des Verfassungsstaates zur Wahl. Wählen kann nur, wer sich in die Wahlliste einträgt, die ab Samstag unter der Adresse www.wahlkreis329.de/ index.html ausliegt.

Der Uniserver läßt keine Schummelei zu, das Ergebnis wird vorerst wohl nur Wahlforscher interessieren. Es sollte aber die Politiker und Politikerinnen beschäftigen, denen eine Blamage bevorsteht. Eine Testumfrage bei den Lesern der Online-Ausgabe des Spiegels zeigte neulich, daß die gegenwärtige Regierung im Internet längst abgewählt ist. Das Ergebnis war eine massive Mehrheit für eine rot-grüne Koalition, obwohl weder die Grünen noch die SPD sich bisher mit qualifizierten Vorschlägen zur Entwicklung des Internets in Deutschland hervorgetan haben. Die CSU hat mit ihrem Bayern- Net in dieser Hinsicht weit mehr zu bieten als alle SPD-Länder zusammen. Die Spiegel-Leser haben das nicht honoriert. Das mag am Profil des Spiegels liegen, wahrscheinlicher ist aber, daß die Wähler der Grünen und der SPD dem Internet gegenüber grundsätzlich aufgeschlossener sind als die konservativen Wähler. niklaus@taz.de