■ Der Kombilohn bringt nichts für die Langzeitarbeitslosen
: Eine Phantomdebatte

Kurz vor der Wahl wird eine Phantomdebatte über den „Kombilohn“ als Mittel zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit geführt. Das Konzept geht auf ein Papier des Bundesverbandes der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) vom Sommer 1997 zurück. Es heißt darin, mit der Einrichtung neuer Niedriglohngruppen unterhalb des heutigen Tarifgefüges könnten Arbeitsplätze in Industrie und Dienstleistung entstehen – einfache Tätigkeiten zur Beschäftigung von meist ungelernten Arbeitskräften.

Das Konzept ignoriert die Wirklichkeit des deutschen Arbeitsmarktes. Jobs im Niedriglohnsektor existieren bereits. Es gibt nicht nur Millionen sozialversicherungsfreie 620-Mark-Jobs, sondern auch viele Tarifbereiche mit Einkommen unter 2.000 Mark brutto. Weiterer Bedarf besteht nicht, denn in der Industrie sind die einfachen Tätigkeiten für wenig produktive Arbeiter in einem zwanzigjährigen Prozeß wegrationalisiert worden. Keine Lohnsubventionierung wird daran etwas ändern können. Im Köcher der Arbeitsförderung gibt es bereits verschiedene Kombilöhne – Strukturanpassungsmaßnahmen für Wirtschaftsunternehmen, Eingliederungszuschüsse u.ä. – zur Einstellung von Arbeitslosen, die von den Unternehmen jedoch nur marginal abgerufen werden.

Hinzu kommt: Gäbe es den Kombilohn für alle, stünden die Arbeitslosen plötzlich in Konkurrenz zu leistungsfähigeren Erwerbsfähigen um niedrig bezahlte Einstiegsjobs auf dem regulären Arbeitsmarkt. Ihre Arbeitsmarktchancen würden sinken statt steigen. Oder es gäbe den Effekt, daß bisher noch normal bezahlte Arbeitnehmer durch verbilligte Arbeitskräfte verdrängt werden. An der Massenarbeitslosigkeit änderte sich so nichts.

Alle verfügbaren Prognosen zeigen: Geringqualifizierte werden es auf dem Arbeitsmarkt auch in der Dienstleistung immer schwerer haben. In den USA ist die Arbeitslosigkeit im Billiglohnsektor gestiegen, weil einfache Tätigkeiten auf dem Markt weniger nachgefragt werden und Unqualifizierte immer schwerer vermittelbar sind.

Das wissen natürlich auch die Referenten des BDA. Für den Arbeitgeberverband hat das Konzept Kombilohn in Wirklichkeit eine andere Funktion: Es ist der ideale Türöffner für einen Systemwechsel in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Mittelfristig sollen die Arbeitslosenhilfe abgeschafft, die Sozialhilfe gesenkt und die jetzigen unteren Tariflöhne um 20 bis 30 Prozent gekürzt werden. Ingo Zander

Der Autor ist freier Journalist und lebt bei Köln