Japan reißt Hongkong in die Rezession

Hongkong und die Asienkrise: Der Hongkong-Dollar fällt auf ein Fünfjahrestief, und Experten bangen um die Bindung an den US-Dollar. In der Bauindustrie und bei kleinen Dienstleistern häufen sich die Konkurse  ■  Von André Kunz

Hongkong/Tokio (taz) – Auf Pferde wetten Hongkongs Bürger seit fast hundert Jahren. Nicht einmal die japanische Besatzungszeit im 2. Weltkrieg konnte ihnen diese Passion vergällen. Und jetzt meldet der Hongkonger Jockey Club den ersten Rückgang von Wetteinsätzen seit Menschengedenken – ein untrügliches Zeichen, daß mitten in der Asienkrise niemand mehr an eine rosige Zukunft Hongkongs glaubt.

Denn wieder bedroht Japan die wirtschaftliche Sonderzone. Diesmal nicht mit Panzern, sondern mit der Schwäche des Yen. Der Hongkonger Börsenindex Hangseng purzelt vom einem Rekordtief zum nächsten, und der Peg, die Bindung des Hongkong-Dollars an die US-Währung, steht vor einer neuen Zerreißprobe. So notierte der Hangseng-Index am Mittwoch zeitweise auf einem Fünfjahrestief von 6.708 Punkten, und aus Devisenhändlerkreisen werden stündlich neue spekulative Angriffe auf den Hongkong-Dollar vermeldet.

„Spekulanten schlagen dort zu, wo das Opfer schon auf den Knien ist“, sagt Daryl Ho, Ökonom des Wertpapierhauses Jardine Flemings in Hongkong. Die Eckdaten zum Konjunkturgang in der Enklave verschlimmern sich jede Woche. So schrumpfte das Bruttosozialprodukt im ersten Quartal um 2,8 Prozent, für das zweite Quartal geht man von einer Verringerung von 3,5 Prozent aus. Hongkong befindet sich in einer Rezession, und nur Optimisten gehen davon aus, daß in diesem Jahr noch ein Nullwachstum erreicht wird.

Durchgeschlagen hat diese Wirtschaftskrise bereits auf den Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenrate ist mit fünf Prozent auf dem höchsten Stand seit 15 Jahren. Am härtesten trifft es den Bau und kleine Dienstleistungsbetriebe.

Die Wurzel der Hongkonger Rezession liegt im Kollaps der Aktien- und Immobilienpreise. Die Aktienpreise haben binnen eines Jahres mehr als 60 Prozent verloren, die Immobilienpreise beinahe 45 Prozent. Der Verfall der Immobilienpreise hat zu einem massiven Rückgang im Wohnungsbau geführt: Derzeit werden 40 Prozent weniger Neubauten begonnen als noch vor einem Jahr. Das hat in der Bauindustrie eine Konkurswelle ausgelöst, die sich nun auch auf das Dienstleistungsgewerbe ausgedehnt hat. Derweil häufen sich Privatkonkurse von Wohneigentümern, die ihre Hypothekarzahlungen nicht mehr leisten können.

„Die wirtschaftliche Misere Hongkongs ist eng verknüpft mit der Bankenkrise in Japan“, sagt Kenneth Courtis, der Asien-Chefstratege der Deutschen Bank. Bis vor einem Jahr streckten japanische Banken mehr als ein Drittel der notwendigen Kredite im Hongkonger Immobilienwesen vor. Nachdem in Nippon die Sanierung des angeschlagenen Finanzsektors als oberste Priorität gilt, ist der Kreditfluß nach Hongkong versiegt. Hongkongs Banken konnten nicht in die Bresche springen, weil ihre Ausleihungen bereits am Limit angelangt waren. Amerikanische und europäische Banken zögern ebenfalls damit, die notwendige Liquidität in den Markt zu pumpen.

Damit leidet Hongkong unter einem Liquiditätsengpaß, der inzwischen immer mehr Kleinbetriebe in den Konkurs treibt. Die Zinsen in der Enklave wurden hochgetrieben, und so ächzen Wohneigentümer unter fast doppelt so hohen Hypothekarzinsen wie vor einem Jahr. Dieser Teufelskreis im Immobilienwesen hat die Kaufkraft der Hongkonger Bevölkerung empfindlich geschmälert und treibt die Konjunktur noch weiter in die Rezession.

Falls der Hongkonger Peg zu diesem Zeitpunkt gesprengt und der Hongkong-Dollar abgewertet würde, käme es zu einer massiven Kapitalflucht, die Hongkongs Wirtschaft endgültig in den Abgrund reißen könnte. Da die Hongkonger Administration geldpolitisch keinen Handlungsspielraum besitzt, reagiert sie mit weiteren Konjunkturpaketen, die eine Haushaltsverschuldung von nahezu drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nach sich ziehen werden. Courtis folgert daraus: „Erst wenn Japan sich erholt hat, kommt Hongkong aus seiner Rezession heraus.“

Bislang erschienen in dieser Reihe: Japan (27.7.), Thailand (5.8.), Süd- Korea (11.8.)