Wenn es nicht reicht, zahlt der Staat

■ Großbritannien, die USA und auch die Niederlande haben schon eine Art Kombilohn. Dort ist er ein Mittel, um die Armut zu bekämpfen

Wer ein Einkommen hat, zahlt Steuern. Doch das muß nicht sein. In anderen Ländern bekommt man unter Umständen zu seinem Einkommen vom Finanzamt noch etwas hinzu. „Wir sagen dazu negatives Steuerkonzept. Der in Bonn vorgestellte Kombilohn läuft darauf hinaus“, sagt Ulrich Walwei vom Arbeitsmarktforschungsinstitut der Nürnberger Bundesanstalt.

In den USA, in Großbritannien und auch in den Niederlanden existieren solche negative Steuerkonzepte. „Allerdings“, so Walwei, „sind dort Intentionen und Rahmenbedingungen völlig anders.“ Während der Kombilohn in Deutschland vor allem die Wiedereingliederung von Langzeiterwerbslosen stimulieren soll, wird er in anderen Ländern als Mittel zur Armutsbekämpfung eingesetzt. Dort sind die Sozialleistungen erheblicher geringer als in Deutschland.

In den USA wird beispielsweise nur sechs Monate Arbeitslosengeld gezahlt. Das liegt – je nach Bundesstaat – bei 20 bis 40 Prozent des letzten Bruttolohns. Danach erhält der Arbeitslose befristet eine geringe Sozialhilfe. Um dem daraus resultierenden Armutsproblem zu begegnen, erläßt der Staat denjenigen, die einen Billigjob annehmen, nicht nur die Einkommensteuer, sondern fördert Jobs, die unter einem Jahreseinkommen von 11.610 Dollar (etwa 20.000 Mark) liegen, mit einen 40prozentigen Einkommenszuschuß.

„Diese Förderung ist ins Steuersystem der USA integriert“, sagt Walwei. Arbeitsämter haben in den USA eine andere Aufgabe. Zuständig für die Leistungen von Langzeiterwerbslosen ist das Finanzamt. Walwei: „Finanzierbar wird der Kombilohn dort, weil die Sozialleistungen viel geringer als in Deutschland ausfallen.“

Großbritannien zahlt seinen Arbeitslosen ein halbes Jahr lang 600 Mark pro Monat – egal ob er vorher 2.000 oder 7.000 Mark verdient hat. Danach erhält der Arbeitslose wöchentlich 50 Pfund Sozialhilfe (etwa 145 Mark). Die kann er sich durch einen Billigjob erheblich aufbessern. Wenn eine Familie mit einem Kind beispielsweise 100 Pfund (290 Mark) wöchentlich verdient, bekommt sie 180 Pfund Sozialhilfe (rund 530 Mark) vom Staat hinzu. Wer weniger verdient, bekommt einen niedrigeren Satz. Die staatliche Zuzahlung richtet sich nach Familienstand und Kinderzahl.

In den Niederlanden fördert der Staat Billiglohnjobs über ein gestaffeltes Beitragssystem. Wer wenig verdient, muß auch entsprechend weniger an Versicherung und Steuern zahlen. „Der Staat gibt in Holland also nichts dazu, sondern erläßt den Betroffenen Geld – bei gleichbleibenden Sozialleistungen“, sagt Walwei. Auch dies sei eine Form eines negativen Steuerkonzepts.

In den skandinavischen Ländern hingegen spielen solche Konzepte keine Rolle, weil es hier keine so großen Lohnspannen gibt. Über die anderen westeuropäischen Länder besitzt die Bundesanstalt keine Erkenntnisse. Nick Reimer