Ertrunken im Schiffsinneren

■ SHMF: Der Michel zerdröhnte Herbert Blomstedts Feinarbeit

Was um alles in der Welt bewegt Konzertveranstalter immer wieder, Sinfonieorchester im Hamburger Michel zu präsentieren? Die Akustik des riesigen Kirchenschiffs macht Genuß und Bewertung der dargebotenen Werke nahezu unmöglich, Mittelstimmen verrecken kläglich auf dem Weg von einer Empore zur anderen, komplexe Streichersätze verschwimmen zur wabernden Klangsoße. Mehr noch, die dramatische Unmittelbarkeit der Musik geht durch die Distanz zwischen Interpret und Zuhörer verloren, die Ohren erreicht kaum mehr als hohles Gedröhne.

Kaum verwunderlich daher, daß sich am Dienstag abend nur wenige Enthusiasten eingefunden hatten, um das Orchester des Schleswig-Holstein-Musikfestivals unter Herbert Blomstedt bei seinem Kampf gegen die Übermacht der hall'gen Halle zu unterstützen. Und dabei hätten die Jungmusiker aus 25 Nationen einen besseren Rahmen für die Ergebnisse ihrer Probenarbeit verdient gehabt: In puncto spieltechnischer Souveränität brauchten sie sich nicht hinter ihren Profi-Kollegen verstecken.

Ganz auf Schlankheit und Durchsichtigkeit angelegt schienen Blomstedts Ausdeutungen von Hindemiths Mathis der Maler und Bruckners siebter Sinfonie. Gerade das Opus des österreichischen Romantikers profitierte von den flüssigen Tempi und der kammermusikalischen Feinarbeit. Das oft verschleppte Adagio rückte so in die Nähe von Wagners Siegfried-Idyll, angesichts von Bruckners Verehrung des Bayreuther Meisters eine einleuchtende Annäherung.

Dem Scherzo gewann Blomstedt pastorale Züge ab und bemühte sich nach Kräften, die von den Hallmassen zugedeckten Holzbläser hörbar zu machen. Auch Hindemiths Werk ertrank in den Weiten des Raums, die lebhafte Vielstimmigkeit des einleitenden Engelskonzerts ließ sich nur erahnen. Das heutige Konzert im Lübecker Dom dürfte das Orchester kaum vorteilhafter präsentieren, wen wundert's da, daß dem Festival die Besucher weglaufen? Jörg Königsdorf