■ Soundcheck
: Fugazi / Incognito

Gehört: Fugazi. Einige Jährchen, nachdem eine Band die Phase erreicht hat, in welcher die Zustimmung zum Gesamtwerk die Erregung über die aktuelle Platte überwiegt, kommt diese Band von Washington nach Hamburg und zeigt allen eine Harke. Fugazi sogen Rudel und Horden in die Fabrik, während sie den Platz mit einem zwingenden Sound ausfüllten. Dieser Sound setzt sich immer noch aus ein paar bemerkenswerten, auf Rock übertragenen Klassiker-Prinzipien zusammen. Zum einen wechseln sich die Gitarrensätze in etwa so mit dem Gesang ab, wie es auch B.B. King für praktikabel hält. Die Dynamik in den Songs von Fugazi, der Weg vom Zarten zum Schweren, vom gefüllten Sound zum kollektiven Zurücknehmen, von der auf vier Instrumente verteilten Perkussionsarbeit bis zur leise zickigen, spärlichen Grooveandeutung gehört zu den Disziplinen, in denen sich auch Greatful Dead übten.

Allerdings merkte man der Band und deren Kopf Ian MacKaye an, daß sich in der Fugazi-Geschichte ein Mißverständnis beim Publikum einhakte, daß von Seiten der Gruppe nicht mehr auszuhebeln war. Es liegt in dem Unterschied zwischen den immer persönlichen Texten MacKayes und Guy Picciottos und der Erwartungshaltung der Hörer, übereindeutige, apodiktische Antworten auf noch die allgemeinsten gesellschaftlichen Fragen zu bekommen. Fugazi sind nicht die einzigen, die damit zu kämpfen haben.

Aber dieses so elegant fetzende, auch im pompösen Zusammenklang nie zu sehr im Glauben an die eigene Musik verstrickte Quartett weist eine tragische Komponente auf. Niemand stand in den vergangenen 15 Jahren so hilflos der Aufgabe gegenüber, die zugewiesene Rolle eines Sprechers für die Szene nicht anzunehmen. Kaum jemand hat mit solchen kreativen Schüben aufwarten können und gleichzeitig ausgehalten, doch immer wieder an dem viel zu weit ausgelegten Song „Straight Edge“ gemessen zu werden.

Ian MacKaye fragte während des Konzerts in der Fabrik nach Tischtennisspielern im Publikum, die die Band nach Konzertende herausfordern dürften. Der später erfolgte Hinweis auf den Song, der auf die Anschläge auf Abtreibungskliniken reagiere, wirkte wie von jemandem, der sich mit einem guten schlechten Gewissen auf dem Laufenden hält. Ian MacKaye konnte man sich an diesem Abend recht leicht nahe fühlen. Kristof Schreuf

Gehört: Incognito. Gepflegt war's ja. Das Bigband-Konzert von Jean Paul „Bluey“ Maunick und zwölf assoziierten Sängerinnen, Bläsern und Streichern im neuen gepflegten Medienzentrum am Rothenbaum. Gepflegt der Konzertsaal-Kasten, gepflegt auch das Publikum, das es ohne Murren hinnahm, den Verzehr von Getränken aus anti-ökologischen Wegwerf-Bechern auf das Foyer zu beschränken. Trotz riesiger Lappen mit Sargnagel-Reklame war auch das Rauchen beim Lauschen verboten, eine Maßnahme, die per Akklamation unentschieden beurteilt wurde. Überwiegend wohlwollend konsumierte Musik gab's auch – O Sklaverei des Rezensierens, schmähliche Knechtschaft –, zunächst von der Hamburger Band Therapy in Progress, die immerhin überzeugt ihrem Handwerk nachgingen. Etwas zäh hob darob die Incognito-Party mit den Zutaten Jazz, Funk und Soul an. Sie sollte mit dem Hit „Always there“ enden. Und so geschah es. Dies ist kein Bericht sondern ein Geständnis. Fehlbesetzungen kann es schließlich nicht nur auf der Bühne geben. Der Eindruck, daß die Mehrheit willig die perfekt-glatten Arrangements in die Tanzbeine sacken ließ, drängte sich auf, aber er linderte nicht.

Julia Kossmann