Klopfen an Himmelstüren

■ Die beiden besonderen Konzerte des Wochenendes: Bob Dylan wurde im Stadtpark beim Lachen beobachtet, dafür wirkte das Kronos Quartett beim West Port stellenweise recht ernst

Stadtpark: Bob Dylan

Höret! Du sollst dir kein Bildnis machen, sprach Bob Dylan und erteilte die Weisung, keinem Pressefotografen die Pforten aufzutun. Wenn sie lauschen wollen, bitte sehr – nur mögen sie dann ihre Kameras am Eingang abgeben.

So gibt es von Bob Dylans sonntagabendlichen Konzert in der ausverkauften Freilichtbühne des Stadtparks kein Foto. Was schade ist. Es wäre bestimmt hübsch geworden. Der blaue Himmel, die sanft sich wiegenden Bäume, das gemischte Publikum. Und der Meister in weinrotem Satinhemd und schwarzer Hose mit einzelnem weißen Strich an der Seite ließ sich vom eigenen Schwung anfangs gelegenlich zur Andeutung eines Ausfallschritts verleiten, und bei den Zugaben legte er ein für seine Entertainmentverhältnisse gar munteres Tänzchen auf die Bühne. Und einmal – wir haben es genau gesehen und können es beschwören! –, einmal gegen Ende des Konzerts hat Bob Dylan sogar gelacht.

„But I was so much older then / I'm younger than that now.“ Diese beiden Zeilen wurden zur Kernaussage des Abends. So jung war Bob Dylan wohl lange nicht mehr. Beweis: Er wandte seine Technik des Wegnuschelns des Refrains diesmal nicht nur an, um vorschnelle Wiedererkennungseffekte zu verhindern. Sondern um, vor allem gegen Ende des jeweiligen Songs, sich Raum zu verschaffen, ordentlich die E-Gitarre zu bearbeiten. Einmal trauten wir unseren Ohren nicht, da hörte sich Bob Dylan mit seiner vierköpfigen Begleitband an wie Dire Straits. Dann war der böse Spuk wieder vorbei, und es begann ein neuer: „It's All Over Now Baby Blue“ in einer Schmusefassung. Sonst gab es Variationen des Altbekannten. Die Himmelspforten blieben auch an diesem Abend zu. Aber man wurde gut von dem unterhalten, der lange Zeit musikalisch erfolgreich an sie klopfte. Hat jemand mehr erwartet? It's only Bob Dylan, but I like it. Die meisten Besucher hielten es ebenso und waren zufrieden. Dirk Knipphals

West Port: Kronos Quartett

Wer regelmäßig die meist halbleeren Konzerte mit Neuer Musik besucht, ist doch erstaunt, wenn Hunderte sich an einem sonnigen Juliabend in die St. Johanniskirche drängen, um ausschließlich zeitgenössische Stücke für ein Streichquartett zu hören. Man ahnt, das Kronos Quartett ist da: Sie sind die einzig wahren Popstars der Kammermusik, das Uraufführungs-Ensemble schlechthin, bekannt für technische Perfektion und gute Verkaufszahlen. Ihre Fangemeinde feierte sie euphorisch.

Dabei waren das Poppigste im regulären Konzertteil die bunten Hemden der Musiker und das ärmellose lange Orange von Cellistin Jean Jeanrenaud. Nach der kratzbürstigen, spielwütigen Collage „Cat O'Nine Tails“ von John Zorn, diesem gezupften, gestrichenen und geschlagenen anarchistisch-wilden Stilmix aus Comicfilmmusik, Walzer und Yankee-Doodle, wurde das musikalische Geschehen für Kronos-Verhältnisse ungewöhnlich ernst: Die schlicht-melodiösen „Studies . . .“ von Harry Patch oder Ken Benshoofs „Song Of Twenty Shadows“ mit düster-expressiven Momenten und einem fast elegischen Violasolo lassen sich musikalisch eher in die Zeit von Spätromantik und klassischer Moderne einordnen.

Das interessantere Duell zweier Großmeister der amerikanischen Minimal Music ging zugunsten von John Adams aus: Zu gleichförmig, typisch und durchschaubar, sozusagen Glass-klar, klang das „Quartett No. 4“ von Philip Glass. Adams hingegen erweiterte die minimalistische Form, baut in seinen wilden, leicht-dissonanten und rhythmisch zum Teil gegenläufigen Tänzen folkloristische Stile an. Trotz des Prinzips „Wiederholung“ passieren in den verschiedene Spieltechniken nutzenden Stücken immer wieder überraschende Wendungen.

Musikalischer und darstellerischer (Spiel-) Witz, Tonbandeinstellungen und musikergänzende Lichteffekte – sonst typische Kronos-Merkmale – gab es erst bei den vier (!) Zugaben: einem afrikanischen Stück, einer ironischen Elvis-Hommage und Raymond Scotts perkussiver Kannibalen-Dinner-Musik folgte als Höhepunkt des musikalisch lohnenden Abends sogar eine europäische Uraufführung: Steve Riffkin verarbeitet in seinem saukomischen „TV-Madness“ diverse Versatzstücke aus Film-, Musical- und Serienmusik.

Niels Grevsen