Ambitioniertes Schülertheater

■ Zeisehallen: Monteverdis „Orpheus“ als Diplominszenierung

Was hat Orpheus mit Quantenmechanik zu tun? Das Programmheft von Anja-Christin Winklers Diplominszenierung gibt sich alle Mühe, der alten Sage vom thrakischen Sänger eine neue Sichtweise abzuringen. Ebenso wie Orpheus seine Eurydike verliert, weil er sich nach ihr umblickt, verliert man in der Quantenmechanik den Ort eines Objektes, sobald man seine Geschwindigkeit mißt.

Die dramaturgische Auswirkung dieser Parallele bleibt glücklicherweise gering: Lediglich im Moment des Verlustes werden Musik und Spielhandlung durch eine Klangimprovisation mit tickendem Geigerzähler unterbrochen, zu der Eurydike in Zeitlupen- Pantomime in die Unterwelt zurückgeholt wird. Ansonsten bewegt sich in den Zeisehallen alles Szenische in den geordneten Formen ambitionierten Schülertheaters. Heidnische Hirten- und Nymphengestalten tollen sinnenfroh über die Bühne, der durch einen Straßenanzug als Kulturmensch ausgewiesene Orpheus bemüht sich redlich, seinen Koloraturen durch hektisches Tücherschwenken Nachdruck zu verleihen.

Gut gemeint, doch vom Resultat her unbeholfen auch der Schluß: Während Monteverdi und sein Librettist Striggio Apollo als Deus ex Machina die Wiedervereinigung der getrennten Liebenden herbeiführen lassen, eröffnet sich in den Zeisehallen ein finaler Ausblick durch die Fenster der alten Fabrik auf zufällig vorbeispazierende Ottenser – eine Pointe, die nicht das erste Mal für eine Abschlußinszenierung bemüht wurde.

Auch musikalisch lag vieles im Argen. Von den Solisten bewältigte allein Holger Off in der Titelrolle seinen Part. Der Rest der Sänger zeigte sich zusehends verunsichert über die fehlende Unterstützung aus der Continuo-Gruppe und die schlecht vorbereiteten Streicher, während das angekündigte Posaunenensemble erst gar nicht angetreten war. Das Publikum quittierte mit mäßigem Applaus und einigen Buhs für die musikalische Leitung.

Jörg Königsdorf