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„Gefahrgeneigt und ausländeraggressiv“

■ Bilanz nach neun Monaten PUA Polizei: Rassismus nicht nachgewiesen / 16 Polizisten werden angeklagt Von Silke Mertins

Wer „brutal und unangemessen“ gegen mutmaßliche Straftäter anderer Herkunft und Hautfarbe vorgeht, ist noch lange nicht rassistisch. Zumindest nicht nach der eigenwilligen Rassismus-Definition von Ulrich Karpen (CDU). Der Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) Polizeiskandal zog gestern „als CDU-Obmann“ nach neun Monaten eine Zwischenbilanz.

„Rassismus hat sich in den Zeugenaussagen nicht nachweisen lassen“, sagte Karpen. Daß die polizeilichen „Scheinhinrichtungen“ von Schwarzen die „Spitze des Eisbergs“ seien, hätte sich nicht bestätigt. „Die Aussagen sind immer auf der Ebene der Gerüchte geblieben.“ Auf die Frage, ob es sich um rassistische Vorfälle gehandelt hat, hätten viele Zeugen außerdem mit „Nein“ geantwortet.

Auch wenn die Antwort „Ja“ wohl kaum zu erwarten war, schließt Karpen daraus, die Polizisten seien keineswegs rechtsextrem. Daß Ausländer von der „etwas robusteren Art des Umgangs“ von Beamten betroffen gewesen waren, läge an der Revierwache 11 – am Hauptbahnhof – mit ihrem Drogenmilieu und dem entsprechenden Klientel. Durch „Führungsfehler, Aufsichtsmängel und teilweise unzumutbare Arbeitsbedingungen“ seien diese Polizisten in eine „gefahrgeneigte Lage“ gebracht worden. „Polizisten können nur so gut oder schlecht sein wie ihre Führung.“

Der PUA Polizei könne als politischer Ausschuß im übrigen nur politische Fehler aufdecken und korrigieren. „Wir arbeiten zwar gelegentlich wie ein Gericht, sind aber keines“, so Karpen. Vieles könne nur durch einen Strafprozeß aufgeklärt werden.

Das steht einem Teil der beschuldigten Polizeibeamten jetzt tatsächlich bevor. Wie Justizsenator Klaus Hardraht (parteilos) gestern bekanntgab, werden sich 16 Gesetzeshüter – von insgesamt 85, gegen die ermittelt wurde – wegen Körperverletzung und Strafvereitelung im Amt verantworten müssen. Der Vorwurf der „Scheinhinrichtungen“ mußte hingegen mangels Beweisen fallengelassen werden. Opfer rassistischer Übergriffe konnte die Staatsanwaltschaft offenbar nicht als Zeugen gewinnen.

Manfred Mahr, kritischer Polizist und GAL-Bürgerschaftsabgeordneter, wundert das überhaupt nicht. „Das sind Menschen mit geringer Beschwerdekraft; wer selber eine Straftat begangen hat, mit illegalem Aufenthaltsstatus hier lebt oder sich aus anderen Gründen vor der Polizei fürchtet, traut sich nicht an die Öffentlichkeit.“ Daß es die „Scheinhinrichtungen“ gegeben hat, bezweifelt der GALier allerdings nicht, denn „sonst hätte sich das Wort bei den Polizisten nicht so einprägen können“.

Genau wie der PUA-Vorsitzende Karpen fordert Mahr psychologische Betreuung für Polizisten und einen Polizeibeauftragten. „Ein Beichtvater für Polizisten ist mir allerdings zu wenig“, so Mahr. Ihm ginge es speziell um einen Ansprechpartner für die Opfer, der nur dem Parlament, nicht der Innenbehörde verantwortlich sei.

Von Karpens Vorschlag, den PUA Polizei auf Mitte 1996 zu begrenzen, hält Mahr nichts. „Hektik in Bezug auf das Ende halte ich für kontraproduktiv.“

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