Leben kehrt zurück ins Haus des Lichtes

■ Noch diesen Monat wird mit der grundlegenden Sanierung des Gröpelinger „Lichthauses“ begonnen / Das alte AG-Weser-Arbeiteramt soll zur Vorzeige-Adresse der Bremer Multi-Media-Szene werden / 2.500 Quadratmeter Licht suchen Mieter

In dem Haus ist es ganz still. Der marode Teppich in der 800-Quadratmeter-Halle wellt sich aus Altersschwäche. Hartes Mittagslicht dringt durch das Glasdach oberhalb des dritten Stocks und die riesigen Fenster und zeichnet klare Schattenlinien an die Wände. Eine vergessene Kaffeetasse ist das einzige Möbelstück im Erdgeschoß. Die von der Halle aus sichtbaren Galerien scheinen ausgestorben.

Hier, im „Lichthaus“ in Bremen-Gröpelingen, soll der innovativste Ort der Stadt entstehen. Nicht irgendwann. Jetzt. Noch in diesem Monat beginnen die Bauarbeiten. Bis zum Mai des nächsten Jahres, so die Prognose der Planer, ist das Gebäude fertig saniert. Dann soll hier ein bunter Mix aus Existenzgründern und etablierten Firmen einziehen und mit dem Lichthaus-Konzept den Multimedia-Standort Bremen stärken. Ein Restaurant im ersten Stock soll auch Gäste von auswärts anlocken. Die große Halle soll für Konzerte genutzt werden. 300 Sitzplätze passen da mindestens hinein. Im Keller bleibt die internationale Trompetenakademie heimisch, di eschon vor einiger Zeit eingezogen ist. Auch Kunstausstellungen, wie mehrfach in den letzten Jahren, soll es nach dem Umbau wieder geben.

Das Lichthaus-Konzept. Es steht auf vier Säulen: Kunst, Gastronomie, Veranstaltungen und vor allem: Büros für Existenzgründer. Ungefähr zehn Räume gehen jeweils von den Galerien der drei Stockwerke ab. Für maximal 37 Firmen wäre Platz, doch dann würde es eng. 15 bis 20 Firmen werden es wohl werden.

Wenn die Rechnung aufgeht, ist das Lichthaus bald die erste Adresse für die Internet-Gemeinde. Nach ein Paar Jahren vielleicht auch überregional. Bereits für 80 Prozent der Büroflächen gebe es ernsthafte Interessenten, berichtet Heiner Hellmann, nur einen Pächter für das Restaurant habe man noch nicht gefunden. Die Nachfrage sei so groß, daß zeitweise sogar an einen Anbau gedacht wurde.

Hellmann ist Geschäftsführer der „Lichthaus GmbH in Gründung“, eine Tochtergesellschaft der Wohnungsbaugesellschaft „Bremische“. Vorerst wird Hellmann die Verwaltung des 2.500 Quadratmeter-Hauses übernehmen. Nicht ganz uneigennützig hat Hellmann Interesse an der Belebung der noch immer ausgestorbenen Hafengegend: Er leitet die Riesen-Veranstaltungshalle Pier 2 gleich nebenan. Einen Namen hat er sich als Neugründer des „Modernes“ in der Neustadt gemacht.

Vor zwei Jahren schon arbeitete Hellmann sein Konzept für die Zukunft des Gebäudes aus. Doch in der Bremer Szene ist seitdem einiges passiert. Das Multi-Media-Zentrum in Horn wurde gegründet. Auch im Faulenquartier soll jetzt ein örtlicher Computer-Schwerpunkt gesetzt werden, erst vor wenigen Wochen feierten die Firmen „Farm“ und „Internationale Stadt“ ihren Büro-Umzug. Außerdem gibt es da noch das Medienhaus in Schwachhausen. „Das Lichthaus-Konzept ist inzwischen sicherlich ein wenig überholt“, räumt Hellmann ein. Dennoch ist er optimistisch, daß es Platz für einen weiteren Multi-Media-Standort in Bremen gibt.

Hellmann entwirft das Bild eines blühenden Hauses, wenn er von der Zukunft spricht. Vor allem auf junge aufstrebende Kleinstfirmen möchte er setzen, die sich im täglichen Miteinander gegenseitig ergänzen und befruchten. Software-Entwickler, Web-Designer und Werbefachleute sollen Tür an Tür arbeiten. Jedes der mindestens 24 Quadratmeter großen und lichtdurchtränkten Büros wird mit eigener Telefonanlage und eigenen Zählern ausgestattet. Die Mietvereinbarungen sollen so flexibel gestaltet werden, wie es die Internet-Branche ist: Schnelles Ein- und Ausziehen soll interessante Fluktuation ermöglichen. Das Kabelwerk in der Wand wird erste Sahne.

Hauptvorteil: die geplante Infrastruktur, vielleicht sogar ein Großrechner, soll gemeinsam genutzt werden. Drei Konferenzzimmer mit High-Tech-Vorführmöglichkeiten sind geplant. Leinwände summen an den Wänden herunter, Computersimulationen werden an die Wand geworfen, der Room-Service kommt in die Konferenz, um potentiellen Kunden Häppchen zu servieren, die in der hauseigenen Restaurant-Küche oder von auswärtigen Catering-Firmen arrangiert wurden. Gemeinsam könnten Kongresse ausgerichtet, Kunden akquiriert und betreut werden. Dazu kommt: Als „Lichthaus“ könnte man sich gemeinsam präsentieren und als große Familie verkaufen. Die Internet-Adresse www.lichthaus.de ist schon für die gemeinsame Homepage gesichert.

Wird das Lichthaus Ort für Kunst bleiben? Skepsis ist angebracht. In den vergangenen Jahren haben Künstler immer wieder in dem Haus Ausstellungen organisiert. Vereinzelt fanden Techno-Parties in dem maroden Ambiente statt. Am 6. Februar 1991 wurde der Lichthaus-Verein gegründet, der sich zum Ziel gesetzt hatte, ein Kunsthaus einzurichten.

Die Wiederentdeckung des Hauses durch die Künstlerszene rettete damals das Gebäude. An den Türen im dritten Stock stehen noch Namen von Studenten und Studentinnen der Hochschule für Künste, die hier in den letzten Jahren mit ihren Ateliers begonnen hatten, sich das Haus anzueignen. Solche Menschen sollen auch in Zukunft im Haus ein und aus gehen, wünscht sich Hellmann. Aber der Verein liegt darnieder. Niemand ist da, um der Kunst ihren Raum zu sichern. Der einzige nicht ausgefegte Raum ist eine Müllkippe aus Vereinstagen: alte Broschüren, Kataloge, die Vereinssatzung. „Die Kreativität soll das sein, was alles zusammenhält“, ist dennoch Hellmanns Erwartung an die zukünftigen Mieter – Künstler und Existenzgründer und Musiker und Gastronomen.

Ein paar Meter neben dem Lichthaus könnte eines Tages die Rakete des Einkaufsparks Space Park stehen. Das Projekt steht unter Beschuß, weil die Planungen auf immense Verschwendung von Steuergeldern hinauszulaufen drohen. In Göpelingen aber wird die Rakete, ob sie nun in einem Vergnügungspark oder in einem Einkaufszentrum steht, von vielen Menschen als Chance gesehen. Auch für das Lichthaus wäre ein Publikumsmagnet in der Nachbarschaft wichtig – die Internet-Firmen können nicht nur auf die virtuelle Laufkundschaft der Lichthaus-Homepage setzen. Das Haus wird real und repräsentativ, und es soll hergezeigt werden.

Westlich vom Lichthaus liegt die Brache des historischen Hafengebietes der AG Weser. Früher bebte hier die Erde, wenn Stahlplatten zu Schiffsrümpfen zusammengeschweißt wurden. Kräne wirbelten umher, Waggons brachten tonnenweise Baumaterial. Schiffe wurden getauft. Mittendrinn stand das Lichthaus, Use Akschen 4, Sitz des „Arbeiteramtes“ der AG Weser. 1918 wurde es gebaut, bis 1983 diente es der Werft. Als die Werft geschlossen wurde, besetzten Arbeiter das Haus. Danach verrottete es. Fast ein Jahrzehnt stand das Haus leer – bis 1991 die Künstler das Leben zurückbrachten. Wände waren angemodert, das Glasdach kaputt, die Bausubstanz zermürbt. Mit Geldern der „Stiftung wohnliche Stadt“ wurde das Dach repariert. 12.000 Mark kostete alleine die Entsorgung des Schuttes, der sich in der Zeit des Leerstandes angesammelt hatte.

Um das Haus ist immer noch tote Industriewüste. Östlich liegen die alten Wohngebiete der Werftarbeiter, der inzwischen ärmste Stadtteil Bremens: Gröpelingen, Lindenhof. Hier wohnen die meisten Sozialhilfeempfänger Bremens. Heute ist das größtes Sanierungsgebiet Bremens vom Lichthaus nur durch die vierspurige Straße „Beim Industriehafen“ getrennt. Ganz knapp liegt das Lichthaus gerade noch in der Markierung des Sanierungsgebietes. Das ist Glück: So konnte viel leichter das Geld für die Renovierung aufgetrieben werden. Aus dem EU-Förderprogramm Urban kommen 3,1 Millionen Mark, der Wirtschaftssenator schießt die gleiche Summe dazu. Teuer werden die Fluchtwege aus Stahlgerüsten, die das Haus umgeben werden.

Einer derjenigen, die sich ihren Büroraum in dem sanierten Gebäude schon gesichert haben, ist Karsten Kurella. Seit Oktober 1997 hat er mit seiner Software-Beratungsfirma „Cowis“ in einem der Räume im ersten Stock gehaust. Am Wochenende zieht er in ein Ausweichquartier – bis das Lichthaus renoviert ist. Kurella will auf jeden Fall zurück. „Die Mischung der Berufszweige, die Interaktion mit anderen Firmen – da kann man sich gegenseitig befruchten“, sagt Kurella. Jetzt muß aus der Theorie nur noch Praxis werden. Christoph Dowe