Wenn die Erde zu tanzen beginnt

■ Die Oldenburger Kulturetage präsentiert Shakespeares „Sommernachtstraum“ in diesem Sommer als Parkspektakel

Alles an der Story „Ein Sommernachtstraum“ von William Shakespeare ist unwahrscheinlich, und doch ist das Werk eines der ganz großen, die dem Zuschauer einen tiefen und weisen Blick in die Herzen der Menschen geben. Menschen allerdings gibt es nicht in der Dieter Ockenfels' Inszenierung, die in diesem Sommer – organisiert durch die Oldenburger Kulturetage – im vierten Jahr das Sommerloch füllt und erstmalig für den Oldenburger Schloßgarten hergerichtet wurde: Auch die Menschen – nämlich Hermia und Lysander, Demetrius und Helena, Zettel und Squenz – sind Gestalten wie aus der Geisterbahn.

Die schöne Hermia ist vollkommen eingewickelt als eine rote Säule, aus der lediglich eine Hand herauskommt. Die nervtötende, Lysander verfolgende Helena hat einen Kugelbauch, der vorne aufgeschnitten ist. Demetrius ist ein scharrendes und mit den Händen fummelndes Fabelwesen und Lysander weist am unteren Teil seines Körpers einen solchen Umfang auf, daß sich ihm mit Sicherheit keine Frau nähern kann. Auch trägt die stilisiert altertümliche Sprech-, ja fast Rezitationsweise nicht eben zur Menschwerdung von Shakespeares durch den Elfenkönig Oberon und den agilen Puck verwirrten Liebespaaren bei.

Und so anders sieht dann die eigentlich ganz andere Welt, die der Elfen, die des hoffnungslos zerstrittenen Elfenpaares Titania und Oberon gar nicht aus: Tier/Menschfabelwesen mit riesigen Hinterteilen, überdimensionalen Muskeln – Wesen zum Teil, die eine ungemein deftige Erotik ausstrahlen – und grellen Farben wuseln auch hier und locken das Publikum an vier verschiedene Aufführungsplätze. Nachdem wir der besiegten, armamputierten Amazonenkönigin Hippolyta und Theseus bei ihren Hochzeitsvorbereitungen und dem Geschimpfe des Egeus über seine ungehorsame Tochter zugehört haben, werden wir durch den Wald regelrecht gescheucht, um an einem anderen Platz den Aufführungsvorbereitungen der tölpelhaften Handwerker beizuwohnen. Auf dem Weg treffen wir dann schon neben vielen anderen lustigen und gruseligen nächtlichen Wesen den Elf Puck, der sich an einem Seil von Baum zu Baum schwingt. Weiter geht's dann zu der Stelle, an der die Konfusion stattfindet, die Oberon mit seinen Saft-in-die-Augen-träufel-Aktionen auslöst: Die Naturdämonen, angetrieben durch Puck, ergreifen von den Menschen Besitz. Dann wieder zurück zum Athener Herzogspalast, vorbei an einer weiteren kostenlosen Geisterbahn, an dem nun, weil Titania und Oberon versöhnt sind, die richtigen Paare wieder zueinander gefunden haben.

In diesem Sinne hat die Inszenierung ihre Meriten: Sie setzt auf das, was ein gesetzloser, dämonischer, elementarer, außersittlicher Ausbruch bei den Menschen bedeuten könnte. Das ist gut und witzig gemacht, könnte allerdings an vielen Stellen ganz einfach kräftiger sein, auch ernster. Was allerdings durch diese vollkommen unrealistische stilisierende Einstudierung erreicht wird, ist eine quasi rituelle Qualität, die in ihren besten Momenten durchaus etwas Archaisches hat: Das betrifft sowohl die Sprechweise als auch die Körperhaltung und Bewegung. Dieser Ansatz, der an fernöstliche Spieltechniken erinnert, wird unterstützt durch Einfälle, die psychologische Grundstrukturen verdeutlichen: Wenn Theseus seine Hippolyta an der Leine herumzieht oder wenn Pyramus und Thisbe ihre Texte immer beide sprechen.

Der große Kritiker Alfred Polgar hat einmal über den „Sommernachtstraum“ gesagt: „Es ist eine Dichtung, die die Erde tanzen macht.“ Mit jedem Baum scheint die Oldenburger Produktion das Publikum in diesen Tanz hineinzuziehen, der in der Ausstattung mit ganz einfachen, aber einfallsreichen und liebevoll ausgedachten Mitteln auskommt und durch eine ausgeklügelte Lichtregie fasziniert. Die Kostüme (Kerstin Lackmann) wirken wie einem hochkarätigen Wettbewerb entsprungen, so unterschiedlich, so fantasievoll und so komisch sind sie. Expressive schauspielerische Leistungen, von denen Franz Fendt als virtuos-vitaler Puck dominiert.

Ute Schalz-Laurenze

Weitere Aufführungen: 15. bis 23. August täglich (auch Montag!) um 21.30 Uhr im Oldenburger Schloßgarten (Eingang Gartenstraße). Die Abendkasse öffnet jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn, am Montag, 17. August, schon um 20 Uhr