Nicht gefühlsecht – die Scheinehe

■ Scheinehen im Dunkelfeld: Selbst da, wo die Kripo ermittelt, gibt es keine echte Statistik / Wo Pärchen zusammenhalten, haben die Kontrolleure wenig in der Hand / Wenn nicht, droht unter anderem Abschiebung

Bremen, ein liberales Paradies für Scheineheleute? Eine Hochburg internationaler Einwanderungserschleicher? Auch wenn der zuständige Kommissar der „Einschleusergruppe“ bei der Bremer Kripo die Hansestadt in einem Atemzug mit Berlin und Hamburg als „echten Anziehungspunkt“ benennt – belegen kann das niemand. Denn mit den Scheineheleuten ist es ähnlich wie mit Schwarzfahrern und Kaufhausdieben: Je mehr kontrolliert wird, umso mehr fallen auf. Wer dabei als „Fall“ in Sachen „Erschleichung einer Aufenthaltserlaubnis“, wie es die Ermittler und der Gesetzgeber sehen, in die Statistik eingeht, taucht dort lediglich in der Rubrik „Verstöße gegen das Ausländergesetz“ auf. Auch im Bremer Ausländeramt werden mutmaßliche Scheinehen nicht gezählt. Über die Ermittlungserfolge der „Einschleusergruppe“ der Bremer Kripo gibt folglich nur diese selbst Auskunft.

„Es werden immer mehr Scheinehen geschlossen“, sagt der zuständige Beamte – und daß dagegen wohl auch kein Einwanderungsgesetz helfe. Vor einem Jahr ist der Kommissar, der in der Zeitung namentlich nicht genannt werden will, von den Drogenfahndern zur „K543“, der „Schleusergruppe“, gewechselt. Die entstand in Bremen vor 18 Monaten im Rahmen bundesweiter Maßnahmen gegen Einschleuser. Zu ihr gehört auch der Scheinehefahnder. Sein bislang größer Erfolg: „einen Vermittler, dem in der Szene 200 Ehevermittlungen nachgesagt werden“, vor den Kadi gebracht zu haben. Das Ergebnis: Drei Jahre Haft auf Bewährung – für 20 nachgewiesene Scheinehevermittlungen. Die nächsten Kandidaten hat der Kommissar schon im Visier. Er zielt vor allem auf Vermittler – und auf deren Hintermänner. „Von denen verdienen einige richtig viel Geld.“ Nicht selten müßten Vermittelte das abarbeiten.

Bis zu maximal 23.000 Mark, so der Kommissar, fließen für eine geschäftsmäßig geschlossene Ehe. Bei solchen Summen komme der nichtdeutsche Ehepartner zumeist direkt aus dem Ausland und „wird rundum betreut bis zum Standesamt“. Billig seien dagegen 5.000 Mark, aber meist koste die Hoffnung auf die mit der Eheschließung verbundene Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland mehr. Sie wird mit der Eheschließung erteilt und gilt nach einer bestimmten Ehedauer weiter. Vorausgesetzt, der illegale Deal fliegt nicht auf.

In hundert Fällen ermittelte der Kripomann allein im letzten Jahr. Wie er dabei vorgeht, ist Betriebsgeheimnis. Ebenso, wieviele Ermittlungen als unbegründet eingestellt werden. Doch es ist ein offenes Geheimnis, daß die Kontrolleure dort nicht weiterkommen, wo die Pärchen zusammenhalten. Wo das bislang getrennt lebende binationale Paar etwa schnell zusammenzieht, weil es sich vertragen hat.

Oft macht der Kommissar jedoch andere Erfahrungen: „Viele Leute sind richtig erleichtert, wenn die Schweinehe auffliegt. Manche deutsche Kandidaten „machen da einen echten Bewußtseinswandel durch“. Dahinter stecke nicht selten Druck von der Familie, von Freunden – oder von Feinden. Eine Eheschließung, die nachweislich nur zu Beschaffung einer Aufenthaltserlaubnis dient, kann kann deutschen PartnerInnen im Extremfall fünf Jahre Haft einbringen. Immerhin zehn Prozent der Fälle, denen das Dezernat nachgeht, werden anonym gemeldet – wobei nicht auszuschließen ist, daß daran ehemüde deutsche Partner beteiligt sind.

Wer den Fall von Pit K.anonym gemeldet hat, ist unbekannt. Diese Woche stand der 24jährige Bremer Ehemann einer 38jährigen Togoerin vor dem Amtsrichter – allerdings nicht als Angeklagter. Die Staatsanwaltschaft hatte das Scheinehe-Verfahren gegen den Vorbestraften bereits eingestellt; es war absehbar, daß der gerichtsbekannte junge Mann wegen anderer Vergehen ohnehin verurteilt würde. Möglich, daß auch seine Bereitschaft, über den Vermittler auszupacken, eine Rolle gespielt hat, jedenfalls mußte Pit K. nur als Zeuge vor Gericht. Dort durfte er als Ehemann schweigen. Für ihn ging die illegale, „weil nicht zum Zweck der Familiengründung“ geschlossene Ehe damit juristisch glimpflich aus. Daß er für die Verbindung Geld erhielt, wie anonym behauptet, ist nicht bewiesen. Die Braut, mit der der Deutsche die drei Ehemonate nach der Hochzeit nie zusammengelebt hatte, muß die Ausweisung fürchten. Zuvor soll sie den Strafbefehl über 900 Mark bezahlen.

Der Ehemann gibt sich unterdessen naiv. „Die Schwarzen haben alle auf mich eingeredet“, berichtet er mit Augenaufschlag. Am Ende habe er zur Hochzeit in Dänemark nicht nein sagen können.

Was für den Ermittler eins von mehreren klassischen Szenarien ist, nennt die Mutter des 24jährigen eine „Riesenschweinerei“. „Meinen zweiten Sohn haben sie auch schon angequatscht“, schimpft sie. Aber da werde sie das Unglück schon zu verhindern wissen. Der Fahnder gibt sich unterdessen zuversichtlich, irgendwann auch den Ehevermittler zu erwischen. „Ich arbeite nach dem Danone-Prinzip“, lacht er selbstbewußt. „irgendwann kriegen wir sie alle.“

ede

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