Umzug light für Führungskräfte

■ Sie suchen eine Wohnung, organisieren den Umzug, den Schulplatz fürs Kind und die Haushaltshilfe: 19 Berliner Relocation-Agenturen leben vom dichten Terminkalender ihrer betuchten Kunden

„Ein Haus im Grünen, aber nicht zu weit vom Stadtzentrum entfernt; nicht im Osten, wegen der Kinder; ein Altbau sollte es sein, allerdings mit allen Vorteilen eines neuen Hauses.“ Gaby Papenburg hatte ziemlich genaue Vorstellungen von dem neuen Heim, das sie aus beruflichen Gründen in Berlin suchte. Allerdings fehlten der Sat.1-Moderatorin und Mutter zweier Kinder Zeit und Nerven, den Umzug selbst zu organisieren. Das brauchte sie auch nicht. Der Fernsehsender Sat.1 zahlt seinen Mitarbeitern für den Umzug entweder einen Makler oder einen Relocation-Service. Gaby Papenburg wählte letzteres und war begeistert von dem Dienstleistungsangebot.

Die Relocation-Agentur, zu deutsch „Umsiedlungsagentur“, organisierte den kompletten Umzug. Alles, was die Moderatorin des Sportmagazins „ran“ tun mußte, war ein Anforderungsprofil auszufüllen. Astrid Schütt von der Relocation-Agentur „Progedo“ ging daraufhin auf Wohnungssuche in Berlin. Sechs Wochen später konnte Familie Papenburg den Mietvertrag für ihr neues Traumhaus unterschreiben. Im Anschluß übernahm Astrid Schütt Behördengänge, die Auswahl verschiedener Schulen für die Kinder und erstellte eine Liste mit Adressen von Ärzten, Einkaufsmöglichkeiten, Kultureinrichtungen und Sportvereinen.

Das Angebot der Relocation- Agenturen ist riesig. Sie helfen bei der Auflösung der alten Wohnung, melden Autos um, eröffnen Bankkonten und vermitteln Haushaltshilfen. Ein Relocater füllt vor Ankunft auch den Kühlschrank und organisiert die Einweihungsparty.

Während die Branche in den USA seit Jahren boomt, steckt der Markt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. „Die Deutschen sind servicefaul“, meint Iris Steinmetz, die seit 1994 eine eigene Relocation-Agentur führt. „Es herrscht eine Do-it-yourself-Mentalität.“ Doch der Trend zur Annahme von Dienstleistungen scheint sich auch hier langsam durchzusetzen. Neunzehn Relocation-Agenturen gibt es allein in Berlin. Der Grund für ihre Nachfrage ist die mangelnde Zeit der Führungskräfte. Professionelle Umzugshelfer leben vom dichten Terminkalender ihrer KundInnen. „Ich helfe meinen Klienten, die Zeit der Orientierung auf ein Minimum zu reduzieren“, so Iris Steinmetz. Das lassen sich die Firmen einiges kosten: Je nach Umfang des Servicepakets verlangen die Relocation-Agenturen zwischen 3.900 und 7.600 Mark.

Kerstin Grönlund, Inhaberin der Relocation-Agentur „enter berlin“, meint, daß sich die Investition lohnt. „Motivation und Leistungsfähigkeit der neuen Mitarbeiter werden nicht von Umzugsstreß getrübt. Davon profitiert der Arbeitgeber genauso wie der Arbeitnehmer.“ Die Schwedin betreut seit vier Jahren hauptsächlich ausländische ManagerInnen. Das bringt zusätzliche Aufgaben mit sich. Kerstin Grönlund muß sich neben der Wohnungssuche vor allem um Visa und Arbeitsgenehmigungen kümmern. Gute Kontakte zu den einzelnen Behörden sind ebenso unentbehrlich wie ein guter Draht zu MaklerInnen und Hausverwaltungen. Die Relocaterin hat die mühevolle Aufgabe, repräsentative Wohnungen für kurze Zeiträume zu finden, denn die meisten ihrer KundInnen bleiben nur wenige Jahre in der Stadt.

Eine große Rolle spielt bei ihr die Integrationshilfe. „Die deutsche Mentalität ist für Ausländer manchmal schwer zu verstehen“, weiß Grönlund aus eigener Erfahrung. „Wir erklären unseren Kunden, welche Erwartungen an sie gestellt werden und welche Probleme es geben könnte.“ Dazu bietet sie Workshops an, in denen ein „integrational trainer“ den ManagerInnen die deutsche Lebensart erklärt. Mit im Programm: ein Gang zum Supermarkt, denn auch der Umgang mit deutschen VerkäuferInnen will gelernt sein. Um ihren ausländischen KlientInnen schnelle Kontakte zu Gleichgesinnten zu verschaffen, organisiert Grönlund regelmäßige „get-togethers“. So ist die Relocaterin auch nach dem Umzug noch Ansprechpartnerin und Kontaktperson für die Neu-BerlinerInnen.

Guter Relocation-Service erfordert ein hohes Maß an Vertrauen, Sensibilität und Menschenkenntnis. Eigenschaften, die nach Meinung von Iris Steinmetz vor allem Frauen zugeschrieben werden. „Alle sozialen Kompetenzen lassen sich in der Branche gut realisieren“, erklärt die gelernte Werbekauffrau die Tatsache, daß über die Hälfte der Berliner Agenturen von Frauen geführt werden.

Vom bevorstehenden Regierungsumzug erwarten sich die RelocaterInnen kein allzu großes Geschäft. Die Regierung organisiert den kompletten Umzug eigenständig. Vielleicht bewirken jedoch die Spitzen der Verbände, die ebenfalls in die Hauptstadt kommen werden, einen Boom in der Branche, vermutet Steinmetz.

Gaby Papenburg hat sich inzwischen in Berlin eingelebt. Sie ist glücklich in ihrem „Schnuckelhäuschen“, die Söhne sind auf einer guten Schule. So schön kann Umziehen sein. Vanessa Erhard