■ Die Basisausstattung für einen vernünftigen Zeitungskrieg:
: Salz und Tabak und ein Fernrohr

Die taz liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Springer-Verlag. Für die kleine Zeitung ist das sehr praktisch, kann man doch selbst mit den inzwischen veralteten taz-Fernrohren immer noch bequem die Schreibtische der Kollegen von der B.Z. nach brisanten Stories absuchen, wenn der eigenen Redaktion wieder einmal nichts einfällt.

Mit Einbruch der Dämmerung wird das natürlich zunehmend schwieriger. Doch die vorwitzige Tageszeitung weiß sich zu helfen: Genau wie ihre Belegschaft besuchen nämlich auch die B.Z.-Redakteure das italienische Speiselokal „Sale e Tabacchi“, das sich im Erdgeschoß des taz-eigenen Rudi- Dutschke-Hauses befindet. Und natürlich plaudern sie hier über ihre Recherchen und Titelgeschichten – nicht ahnend, daß auch heute wieder jedes ihrer Worte von einer Spionage-Task-Force mitgehört wird.

Wie alle Ressorts in der taz, ist auch die Task Force, im Hausjargon „Die schwarze Sieben“ genannt, streng quotiert. Einsatzleiterin ist Beate Seel, eine Frau von beeindruckender Körperfülle. Auf dem Weg ins „Sale e Tabacchi“ erklärt sie ihre Aufgabe. „Es geht darum, die Konkurrenz im wahrsten Sinne des Wortes in die Enge zu treiben“, sagt sie und zwängt ihren gewaltigen Leib durch die Eingangstür. Sie habe inzwischen „eine hundertprozentig funktionierende Methode entwickelt. Sie werden das gleich sehen.“

Ich muß nicht lange warten: Schon kurze Zeit später betreten fünf Männer und zwei Frauen fröhlich lachend das Lokal. „Da sind sie“, zischt Seel. Die B.Z.-Mitarbeiter sehen sich nun nach einem freien Tisch um. Es gibt nur einen – ein Teil der Strategie, wie ich später erfahre –, und zwar vor einer langen gepolsterten Bank in der Mitte des Ladens.

Während die Gruppe hier Platz nimmt, schiebt sich Beate Seel zielstrebig vom anderen Ende der Bank immer weiter an sie heran. Irritiert rücken die Bedrängten ein Stück nach rechts, doch der Abstand zu ihrer Nachbarin verringert sich nicht. Die Lauscher-Chefin drängelt weiter – und schon hat sie ihre Opfer in einer Ecke zusammengepfercht. „Ich warte dann noch, bis sie ihre Bestellung aufgegeben haben“, erläutert sie kurze Zeit später. „Dann übernimmt mein Partner.“

Der Partner ist Wolfgang Gast. Daß es sich immer um denselben Mann handelt, an dessen Tisch die B.Z. nun notgedrungen andocken muß, ist selbstverständlich noch nie jemandem aufgefallen: Wolfgang „Chamäleon“ Gast ist ein Meister der Tarnung. In ein unauffällig-ausgefallenes Kostüm gewandet, verbirgt sich der langjährige Verfassungsschutzexperte der taz hinter wechselnden ausländischen Zeitungen, um seine moving targets in Sicherheit zu wiegen. Heute „studiert“ er die Times, und ganz offensichtlich löst seine Anwesenheit keinerlei Mißtrauen aus – die Runde beginnt sofort ein angeregtes Gespräch, und Wolfgang „das Ohr“ Gast hört mit.

Die so gesammelten Informationen gibt der Meisterspion dann am frühen Abend in einer Tiefgarage an die Chefredaktion der taz weiter. Diesmal war die Ausbeute eher mager. „Sie haben hauptsächlich über ihren neuen Chefredakteur gesprochen“, berichtet Gast. „Sie sind ganz begeistert von ihm, weil sie jetzt Fremdwörter benutzen dürfen und ihre Intelligenz nicht mehr verstecken müssen. Die meiste Zeit haben sie überlegt, was sie ihm zum Geburtstag schenken wollen. Es wird wahrscheinlich etwas Selbstgebasteltes, weil das persönlicher ist.“ Chefredakteur Rediske macht ob dieser Nachrichtenlage ein enttäuschtes Gesicht. „Und dann haben sie noch etwas von ,Kongo‘ erzählt.“ Rediske stutzt. „Kongo, Kongo – das sagt mir irgend etwas, das kommt mir bekannt vor“, murmelt er. „Der Sache müssen wir nachgehen“, beschließt er und ist auch schon fort. Im „Sale e Tabacchi“ decken die Kellner inzwischen die Tische für den Abend ein und verteilen die Reservierungen. „Seltsam oft“, sagt einer von ihnen, „reserviert die taz bei uns. Die wollen immer ganz bestimmte Tische. Als ob ein System dahinterstünde.“ Dann schüttelt er den Kopf. „Das ist sicherlich immer nur Zufall.“ Carola Rönneburg