Rebellen legen Kinshasa lahm

■ Kein Strom, kein Wasser, kein Benzin: Aufständische schneiden die Hauptstadt des Kongo von der Versorgung ab und sollen bereits ein Drittel des Landes kontrollieren. Aufenthaltsort von Staatschef Laurent Kabila unbekannt

Berlin/Kinshasa (taz/AFP/AP/rtr) – Dramatisch zugespitzt hat sich gestern die Situation in der Demokratischen Republik Kongo, dem ehemaligen Zaire. Mit der Einnahme strategisch wichtiger Orte ziehen Rebellen den Kreis um die Hauptstadt Kinshasa immer enger. Sie sollen bereits ein Drittel des Landes kontrollieren. Nach der Eroberung eines Kraftwerks war die Sechs-Millionen-Stadt zeitweise von der Stromversorgung abgeschnitten. Augenzeugenberichten zufolge gab es außerdem weder Wasser noch Benzin. Widersprüchliche Informationen kursierten über den Aufenthaltsort von Staatschef Laurent Kabila. Während die Nachrichtenagentur AP einen Regierungssprecher mit der Angabe zitiert, Kabila habe Kinshasa verlassen und sich nach Lubumbashi in den Süden des Landes begeben, hat die Regierung dieses AFP zufolge dementiert.

Das Auswärtige Amt in Bonn hat unterdessen die etwa 180 Deutschen, die sich im ehemaligen Zaire aufhalten, dringend zum Verlassen des Landes aufgefordert. Eine kurzfristige Schließung der Botschaft wurde am Freitag nicht ausgeschlossen. Droht jetzt ein Szenario Wirklichkeit zu werden, das viele Beobachter bereits beim Sturz des langjährigen Diktators Mobutu vor etwas über einem Jahr vorhergesagt hatten: der Zerfall des riesigen Landes in Zentralafrika?

Die Regierung in Kinshasa behauptet, die Rebellion sei von der kongolesischen Tutsi-Ethnie Banyamulenge im Osten des Landes ausgegangen. Sie sollen von Uganda und Ruanda militärisch unterstützt werden. Bei den Beschuldigten handelt es sich ausgerechnet um diejenigen, die 1997 Kabila zur Macht verholfen hatten. Auch die USA, die Militärberater nach Ruanda und Uganda schickten und seinerzeit den Regierungswechsel in Kinshasa begrüßt hatten, sollen jetzt zumindest Kenntnis von der Offensive gehabt haben.

Laurent Kabila war 1997 bei seinem Marsch auf Kinshasa auf keinen nennenswerten Widerstand gestoßen. Die Bevölkerung, der autoritären Mißwirtschaft von Mobutus Regime überdrüssig, hatte ihm begeistert zugejubelt. Die Banyamulenge, von Mobutu völkerrechtswidrig ausgebürgert, erhofften sich vom Machtwechsel ein dauerhaftes Bleiberecht in ihrer Heimat. Uganda und Ruanda hatten den neuen Mann vor allem in der Hoffnung unterstützt, sein Amtsantritt werde Rebellenbewegungen gegen ihre Regierungen die Grundlage entziehen, die vom Boden des damaligen Zaire aus operierten.

Aber der neue Staatschef enttäuschte viele Hoffnungen. Er machte keine Anstalten hin zu einer lange ersehnten Demokratisierung des Landes. Den Zugriff auf begehrte Rohstoffe sollten – anders als erwartet – doch keine US-amerikanischen Firmen erhalten. Und er ging niemals ernsthaft gegen Gegner der Tutsi vor, jene Ethnie, die in Ruanda die Regierung dominiert und in Uganda einflußreiche militärische Positionen innehat. Innenpolitisch versuchte er so dem Eindruck entgegenzuwirken, er sei im eigenen Lande Herrscher von fremden Gnaden. Das allerdings wäre das Problem jedes Staatschefs, der mit ausländischer Hilfe an die Macht kommt.

Der jetzt ausgebrochene Krieg wird mit schmutzigen Mitteln geführt. Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef) beschuldigt beide Seiten, Kindersoldaten zu rekrutieren. Tutsi in Kinshasa sollen in großer Zahl ermordet worden sein. Radiosendungen der vergangenen Tage erinnerten in ihrem Stil an die Hetzpropaganda gegen Tutsi während des Völkermordes in Ruanda 1994. Gestern allerdings schwieg der Regierungssender in der Hauptstadt – der Stromausfall hatte auch den Hörfunk lahmgelegt. bg/O.M.