Ein abgesperrtes Volksfest

■ Der Niederländer Leon van Bon gewinnt das erste Weltcup-Rennen der Radprofis in Hamburg

Dem Radsport sei Dank! Die Polizei in Hamburg hatte gestern einmal mehr die Möglichkeit, große Teile der Hansestadt mit rot-weißen Absperrbändern und -baken zu umspannen. Und wegen der ausgedehnten Streckenführung sind die HEW-Cyclassics inzwischen das größte jährlich auftretende Verkehrsproblem der Stadt. Kein Wunder also, daß die gestrige dritte Auflage des Rennens gefeiert wurde wie ein Volksfest. Rund 6000 Freizeitradler und knapp 170 Profifahrer begaben sich, umjubelt von Hunderttausenden – die genauen Zahlen lassen sich nur unpräzise auf 500.000 schätzen – ,auf die drei unterschiedlich langen Strecken.

„Wenn ich hier die Mönckebergstraße entlangblicke“, überschlug sich die Stimme des Moderators und Ex-Profis Olaf Ludwig bei der Fahrervorstellung, „dann sehe ich eine unfaßbare Stimmung.“ Natürlich kann eine solche Veranstaltung wie die Cyclassics nicht einfach nur ein Radrennen sein. Wenn der internationale Radsport-Verband UCI erstmals ein Weltcup-Rennen – eine der zehn größten Radelrunden der Welt – in Hamburg stattfinden läßt, dann ist das natürlich sofort ein Event und muß auch entsprechend begangen werden. Das fordern die Zuschauer, das fordert der übertragende Fernsehsender SAT.1, das fordern vor allem auch die Sponsoren.

Nur die Fahrer bleiben bei all dem relativ gelassen. Alexander Kastenhuber versicherte: „Wir wollen hier ordentlich fahren und unseren Sponsor möglichst oft ins Bild bekommen.“ Auch Vjateslav Ekimov kam die Aufregung eher spanisch vor: „I think this is the easiest Worldcup-Race of the year“, äußerte der Russe verhalten seine Kritik am Kurs. Etliche Verantwortliche zeigten sich nach Vergabe des Weltcups nach Hamburg im Herbst letzten Jahres verwundert, daß ein Kurs ohne nennenswerte Hügel überhaupt zugelassen wurde. Selbst Christian Toetzke von der organisierenden Sport-Agentur „Upsolut“ zeigte Verständnis für diese Haltung: „Wir haben immerhin den Waseberg mit 16 Prozent Steigung. Dort wird sich die Spreu vom Weizen trennen – beim Jedermann-Rennen.“

Aber die Amateure, die sich zu den 60 bzw. 160 Kilometern aufmachten, hatten nicht nur mit den, sagen wir einmal Bergen auf der Strecke zu kämpfen. Dadurch, daß bei der Profiveranstaltung aufgrund ihrer Aufwertung nahezu die gesamte Weltspitze des Radsports dabei war, wurden die Hobbyradler gestern eher stiefmütterlich behandelt. Als sei das Ganze letztlich nur noch eine Dreingabe zum Event. Der ursprüngliche Charme, sich mit den Heroen der Straße messen zu können, ist verloren gegangen.

Die Profis selbst sahen zunächst auch keine Veranlassung, sich sonderlich zu beeilen. Sie bummelten die ersten zwei Stunden durch das Rennen, als wollten sie sich an die Tempo-30-Schilder der Stadt halten. Erst bei der letzten Auffahrt zum Waseberg wurde eine 20köpfige Spitzengruppe auseinandergezogen, und 7 Fahrer konnten sich absetzen. Im Sprint setzte sich der Niederländer Leon van Bon durch, und die Polizei konnte ihre Absperreinrichtungen wieder einpacken. Eberhard Spohd