Galopprennen – ein Gewinn

■ Ein sonniger Nachmittag auf der Bremer Galopprennbahn / Stadtgemeinde spendierte „Stutenpreis der Freien Hansestadt“ / 500.000 Mark Wett-Umsatz

Hier können sie „nur verlieren“, sagt Herr Hormann. Man sieht ihm seine 76 Jahre nicht an, aber klar ist, daß er ein alter Hase ist auf dem Rennplatz. Das wird schon an der Jockey-Kappe aus Stroh deutlich. An die 200 Mark hat er verloren an diesem Bremer Renntag, er trägt es mit Fassung. Baden-Baden, das ist das Mekka der Galopp-Wett-Teufel. Da lohnt es sich – fünf mal höhere Einsätze.

Dennoch: Gut tausend Wettlustige waren gekommen. Es ging nicht nur um den „Stutenpreis der Freien Hansestadt Bremen“ mit ihren 100.000 Mark. Die Sonne hatte auch die Familien und die Kinder angelockt, die aus Spaß an der Freude mit fünf Wett-Mark dabei sein wollten und freimütig einräumen, daß ihnen die letzten Geheimnisse des „Tippens“ auch nicht geläufig sind. „Das Pferd fanden wir am schönsten“, verrät eine Frau, die mit ihrer Tochter in einem Rennen auf fünf Mark Einsatz 6,50 Mark gewonnen hatte. „Mein Mann hat gesagt, wenn ihr dahin geht, dann müßt ihr auch wetten“, entschuldigt sie sich fast..

Sieg und Platz, zweier und dreier, setzt man auf die Favoriten der Zeitschrift des Rennvereins oder die der Presse? Bis zu 200 Mark gehen hier die Ausschüttungen bei normalen Rennen, sagt die Dame an der Kasse. Dafür müssen dann eben 20 Wettlustige verlieren.

Wenn es läutet, dann wird es ernst, die Wettbüros und die schattigen Plätze leeren sich, die Pferde-Flaneure schreiten zur Bahn. In der Ferne sieht man die Start-Gatter, „Jacobs Café“ steht oben drauf, weil die alte Jacobs-Familie mit einer Million Mark Spende jährlich diesen Rennplatz über Wasser gehalten hat, bisher. 1.600 Meter, 2.400 Meter, die wilde Rennerei dauert wenige Minuten und wenn die sensiblen Rennpferde auf der Zielgeraden unter den Schlägen der Jockeys schwitzen, kommt Stimmung auf im Publikum – bis unter „Ahhh“ und „Ooooh“ dann deutlich wird, welches Pferd als erstes das Ziel erreicht. Das Publikum strömt gemächlich zurück. Wer richtig getippt hat, kann sich sein Geld abholen, die anderen warten fachsimpelnd eine halbe Stunde und betrachten die Favoriten für den nächsten Lauf. Acht Läufe insgesamt, acht Chancen, zu lernen, worauf es ankommt beim Wetten.

„Je weniger sie davon verstehen, desto mehr gewinnen Sie“, beruhigt ein rennerfahrener Mann. Etwa beim „Gerta Margarete-Müller Rennen“, Ehrenpreis 6.100 Mark, spendiert vom Rennverein selbst. „Nur Verwegene“, schreibt der Rennverein, würden auf „Favoour“ aus dem Stall Elbström setzen, 1997 ist das Pferd überhaupt nicht gelaufen. Kaum einer ist verwegen, und da gewinnt Favour mit Abstand. Alte Hasen auf dem Rennplatz vermuten gleich, daß da getrickst wurde: Hat eventuell der Besitzer geblufft und selbst auf sein Pferd einen hohen Einsatz gesetzt? Die Auswertung der Wett-Ergebnisse widerlegt diese Theorie: Den höchsten Gewinn mit 12.000 Mark hat einer gemacht, der 2,50 Mark gesetzt hat.

54.000 Mark insgesamt war der Wettumsatz bei diesem Rennen. Ganz anders beim Hauptrennen des Tages, dem „Stutenpreis der Freien Hansestadt Bremen“. Die Stadtgemeinde hatte dafür mindestens 50.000 Mark spendiert, „das ist über Herrn Haller gelaufen“, den Wirtschaftsstaatsrat, sagt Rennvereins-Vorstand Großkreuz. Der Verein hofft natürlich, daß die Stadt im nächsten Jahr wieder einen Super-Preis spendiert. Wirtschaftssenator Josef Hattig durfte dem Gewinner der 100.000 Mark, dem Besitzern des Pferdes „Intuition“, gratulieren. Intuition war aber auch der offizielle Favorit, 117.000 Mark war der Wettumsatz, 74.000 Mark davon kamen bundesweit von Buchmachern außerhalb des Rennplatzes. Aber die meisten haben auf „Intuition“ gesetzt, mit 10 Mark Einsatz auf die ersten drei waren nur 346 Mark zu gewinnen.

Insgesamt eine halbe Million Mark Umsatz hat der Rennverein gemacht an diesem schönen Sonntag, immerhin die Hälfte davon vor Ort auf dem Rennplatz. „Galopprennen – immer ein Gewinn!“ ist das Logo des Rennvereins. 75 Prozent des Einsatzes werden aber als Wett-Prämien wieder ausgeschüttet, deutlich mehr als beim Lotto – das kitzlige Vergnügen kostet pro Nase also 70 Mark – für den statistischen Durchschnittsbesucher, der hier 250 Mark eingesetzt hat. Immer ein Gewinn ist ein Rennen natürlich für die Buchmacher, die ihre Prozente vorher abziehhen. Nur wenige tausend Mark fließen als Steuer in die Staatskasse.

Nur ca. 15 Prozent bekommt der Rennverein für Organisation, seinen Teil am Preisgeld und so weiter. Das ist zu wenig zum Überleben. „Wenn die hier so wirtschaften, können die ihre zwölf Renntage nicht halten“, sagt ein Experte, der „nur“ als Zuschauer da ist. Ein paar Ausstellungswagen von Autofirmen machen den Renntag nicht zum attraktiven Großereignis, die Wett-Gewinnchancen auch nicht. Hamburg leistet sich nur eine Rennwoche im Jahr, auf diese Woche werden pominente Kongresse geplant, das diplomatische Korps per Freikarte gelockt – das „VIP“-Gefühl lockt den Rest. Die Stadtgemeinde Bremen würde gern ein Spielcasino und ein Hotel am Rennplatz haben, aber Investitionen für den Rennplatz stehen im Haushaltsplan 1999 bisher nicht drin. „Bremen ist eben Provinz“, sagt der Kenner. Aber liebenswert, und das wird bleiben, solange sich Sponsoren finden und der Jacobs-Erbe den Rest besorgt. K.W.

Die nächste Chance, „immer zu gewinnen“, bietet der „Sparkassen-Renntag“ am 11.9., dann der „Haacke-Beck-Renntag“ am 20.9.