Die befürchtete Katastrophe blieb aus

■ Arbeitsmarkt-Bilanz nach dem Crash des Vulkan: Mercedes und Stahlwerke retten Job-Statistik im Jahr eins nach dem Schiffbau

Der Zusammenbruch der Bremer Vulkan Verbund AG hat bundesweit 9.000 Menschen den Job gekostet. Das sind 40 Prozent der 22.800 Beschäftigten, die zum Zeitpunkt des Konkurses im Mai 1996 in den Vulkan-Betrieben arbeiteten. Obwohl das Bundesland Bremen von dem Crash mit dem Verlust von 4.900 der einst 9.000 Arbeitsplätze am stärksten betroffen war, ist die vielfach befürchtete Arbeitsmarktkatastrophe im Vulkan-Land ausgeblieben.

Zu diesem Schluß kommt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Heiner Heseler, der ein Jahr nach der Schließung der Vulkan-Stammwerft in Bremen-Vegesack die Auswirkungen des Zusammenbruchs auf den Arbeitsmarkt untersucht hat. Fazit: Der Vulkan-Zusammenbruch hat in der Bremer Arbeitsmarktstatistik „erstaunlich geringe Spuren hinterlassen“. Unabhängig davon dürften jedoch viele ältere Arbeitnehmer keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt mehr haben, es sei denn sie nehmen erhebliche Lohneinbußen in Kauf oder akzeptieren befristete Beschäftigungsverhältnisse. Dennoch ist es für viele weniger schlimm gekommen als erwartet: Den Zahlen Heselers zufolge schied immerhin jeder dritte aus einer der verschiedenen Vulkan-Beschäftigungsgesellschaften aus, ohne arbeitslos zu werden. Von den ehemaligen Arbeitern der Vulkan-Werft waren es 45 Prozent.

Unter den unterschiedlichen Branchen im Vulkan-Verbund traf der Konkurs den Schiffbau und den Maschinen- und Anlagenbau besonders hart, während Elektronik und Systemtechnik (vor allem mit STN Atlas Elektronik lediglich 5 Prozent der Belegschaften einbüßte. Dagegen sind von den 11.359 Arbeitsplätzen vom Februar 1996 auf Bremer Werften nur noch 5.300 übriggeblieben, in Mecklenburg-Vorpommern erlebten von 7.200 Werftarbeitern im Jahr 1996 noch 5.100 als Beschäftigte die zweite Privatsierung der Ostwerften.

Neben dem Zeitgewinn durch den Einsatz von Beschäftigungsgesellschaften haben zwei Tendenzen nach Ansicht des Experten die Folgen der Vulkan-Pleite für den Arbeitsmarkt abgemildert. Während der Vulkan in die Knie ging, haben die beiden größten Bremer Industriebetriebe, die Stahlwerke und Mercedes Benz, ihre Beschäftigung um 3.500 Personen ausgeweitet. 130 Ex-Vulkanesen kamen unbefristet bei Mercedes unter, 100 bei den Stahlwerken. Die Lürssen-Werft heuerte 70 Vulkan-Leute an und eine Stadtwerke-Tochter 40. 100 ehemalige Werftbeschäftigte machten sich laut Heseler mit öffentlicher Förderung selbständig.

Und obwohl Bremerhaven wegen der relativ größeren Bedeutung des Schiffbaus auch verhältnismäßig mehr Jobs verlor als die Stadt Bremen, entlastet die zur Zeit gute Auftragslage in den überlebenden Werften den Arbeitsmarkt in der Seestadt: Auf der Lloyd-Werft, die der britischen NatWest Equity Partners und den beiden Geschäftsführern gehört, arbeiten mit 690 Leuten heute sogar 40 mehr als 1996, viele davon allerdings mit befristeten Verträgen. Auch die Schichau Seebeckwerft, die in den zwei Jahren seit Beginn der Krise keinen Neubauauftrag mehr akquirieren konnte, hält sich und 670 Mitarbeiter mit dem Bau von Sektionen für andere Werften über Wasser, wenn auch nur knapp die Hälfte der Werftarbeiter fest angestellt ist.

Erfolgreich ist für Heseler auch die Nutzung des Vulkan-Geländes nach Schließung der Werft angelaufen. Mittlerweile seien hier wieder 1.000 Menschen tätig, 440 davon in Betrieben, die schon vor der Schließung dort ansässig waren. Weil viele der neuen Betriebe aber wiederum als Auftragnehmer für den Schiffbau Geld verdienen, könnte ein Abflauen der Schiffbaukonjunktur auf dem Vulkan-Gelände ebenso wie bei Schichau Seebeck Arbeitskräfte überflüssig machen, warnt Heseler.

Die Mönchengladbacher Maschinenbaufirma Dörries Scharmann, unter Vulkan-Regie das schlimmste Millionengrab des Konzerns (1995 207 Millionen Mark Verlust bei 274 Millionen Mark Umsatz), arbeitet unter neuen Eigentümern mit 710 Beschäftigten und einem Umsatz von 210 Millionen Mark wieder mit Gewinn. Joachim Fahrun