Das Portrait
: Ein Liebling des Kanzlers

■ Kai Diekmann

Es waren wohl die größten Momente in diesem Journalistenleben: Helmut Kohl, der Reporter sonst gern herablassend anblafft, ließ ausgerechnet den jungen Bonner Bild-Korrespondenten Kai Diekmann in sein Küchenkabinett im Kanzleramt spicken. Stundenlang durften Diekmann und ein Kollege Erzählungen des Kanzlers lauschen, um daraus eine Biographie zu schreiben. Da berichtet der Weltpolitiker fast beiläufig, wie er sein Zehn-Punkte-Programm zur deutschen Einheit schrieb: Mit zwei Geistlichen und Gemalin Hannelore, die „manche wertvolle Anregung“ gab. Und da erzählt der Kanzler, wie sich seit der Vereinigung sein Verhältnis zu den Medien gewandelt habe, deren „ausgesprochener Liebling“ er ja vorher nicht gewesen sei. Diekmann dürfte sich nicht angesprochen gefühlt haben. Denn sein Liebling unter den Politikern ist Kohl – und er ist der Liebling des Kanzlers.

Da trifft es sich gut, daß jetzt, kurz vor der Wahl, der junge Reporter von einst Chefredakteur von Springers Welt am Sonntag geworden ist. Einer Zeitung, die mit einer Auflage von 400.000 dabei ist, wenn am Wochenende über Sonntagsblätter, Funk und Fernsehen das wahlkämpfende Interviewtrompeten am lautesten tönt.

Die Berufung hat Diekmann wohl Leo Kirch zu verdanken. Der konservative Springer-Großaktionär pflegt gute Beziehungen zum Kanzleramt, dem er jetzt eben mal wieder einen Gefallen tut. Diekmann profitierte somit von den Gönnern Kohl und Kirch. Das war nicht immer so, denn vergangenes Jahr stand der heute 34jährige im Mittelpunkt eines Machtkampfes bei Springer. Der damalige Vorstandschef Jürgen Richter wollte die Redaktionen des Konzerns von Kirchs Einfluß unabhängig machen. Als Kirch nach einem mißliebigen Welt-Kommentar ärgerlich wurde, bestand Richter auf der redaktionelle Autonomie. Kirch gelang es, in Bild eine Stellungnahme abzudrucken, die den Rausschmiß des Welt- Chefredakteurs verlangte – angeblich mit Hilfe Diekmanns, der damals bei Bild die Politikredaktion leitete. Dafür wollte ihn Richter zum Springer-Auslandsdienst abschieben. Am Ende des Kampfes mußte der der Vorstandschef gehen. Es sah wieder gut aus für Diekmann. Nach einem Urlaub und einem Zwischenspiel als „Autor“ war seine Berufung zum Chef der Welt am Sonntag perfekt. Georg Löwisch