Wenn ein Korrespondent zur Persona non grata wird
: „Man wollte mich loswerden“

■ Jugoslawien hat taz-Reporter Erich Rathfelder die Wiedereinreise untersagt. Eine persönliche Stellungnahme

Die Bundesrepublik Jugoslawien hat ein Exempel statuiert: Ich wurde zur Persona non grata erklärt. Der Milošević-Staat wirft mir vor, in meiner Reportage aus Orahovac gelogen zu haben. Augenzeugen hatten mir von Morden an der albanischen Zivilbevölkerung in der Stadt und von der Existenz von Massengräbern berichtet. Hätte ich über die Gräber und die Informationen über Massaker schweigen sollen?

Ich kam 1987 erstmals nach Priština und schrieb über die serbischen Nationalisten mit Kosta Bulatović an der Spitze, die damals die nationalistische Kampagne gegen die Albaner des Kosovo und das Autonomiestatut starteten. In den Jahren darauf berichtete ich über die von Milošević ins Leben gerufene „Bewegung der Versammlungen“, die den Krieg psychologisch vorbereitete. Ich war dort, als das Autonomiestatut abgeschafft wurde, als die Bergarbeiter von Stari Trg ihren Hungerstreik begannen, als die Albaner aus Brot und Arbeit entlassen wurden, als eine Art Apartheidsystem Gestalt annahm. Ich berichtete über die ersten Untergrundwahlen, über die Politik Ibrahim Rugovas, ich kritisierte das internationale Verhalten gegenüber dem Kosovo-Konflikt.

Die Existenz von Massengräbern begleitet die serbische Politik seit Beginn des Krieges. Die Massengräber von Vukovar, in denen die Opfer 1991 verschwanden, werden erst jetzt freigelegt. Die Massengräber in Westbosnien sind zum Teil noch nicht untersucht, weil die serbischen Behörden den Zugang nicht erlauben. Und dann sind da die Massengräber in der Umgebung Srebrenicas und die Vertuschungsversuche des serbischen Regimes.

Bei meinem letzten Besuch vom 31. Juli bis zum 6. August im Kosovo wurde ich schon am Sonntag, dem 2. August, von Polizisten bedroht. An diesem Tag hatte ich aus dem damals von serbischen Truppen eingeschlossenen Gebiet um Likovcs in Drenica berichtet. Und beschrieben, daß dort viele Dörfer brannten — die Rauchwolken über 13 dieser brennenden Dörfer habe ich mit eigenen Augen gesehen. Da Slobodan Milošević Tage zuvor der Welt erklärt hatte, die Offensive der serbischen Truppen sei gestoppt, rückte mein Bericht in den Mittelpunkt des Interesses. Auch andere Journalisten machten sich noch an diesem Sonntag auf den Weg, die Fernsehbilder der brennenden Dörfer widerlegten die Aussagen Miloševićs nachdrücklich.

In der Nacht, nach einem Besuch in einem Restaurant, wurde ich von fünf Polizisten abgefangen, die nach der Bemerkung, „du bist doch in Drenica gewesen“, ihre Waffen auf mich richteten. Sie drohten, mein Auto zu konfiszieren und mich zu verhaften. Die Intervention eines holländischen Journalisten, der hinter mir gefahren war, führte zu einer Beruhigung der Gemüter. Wie wäre die Sache ausgegangen, wäre ich allein gewesen?

Am Mittwoch, dem 5. August, überschlugen sich die Ereignisse. Schon am Abend zuvor hatten Presseagenturen meine Berichte über Orahovac verbreitet. Im halboffiziellen Medienzentrum im Hotel Grand wurde ich jedoch von niemandem auf die Sache angesprochen. Am Nachmittag erfuhr ich, daß sich vor dem Hotel eine Menge „aufgebrachter Serben“ eingefunden hatte, die „mich in Stücke hauen wollten“. So drückte sich am Abend der Leiter des Medienzentrums aus. Er sorgte jedoch auch dafür, daß niemand das Zentrum betreten konnte. Und rette mich so vor den Radikalen.

Gleichzeitig ließ er durchblicken, daß ich verhaftet werden könnte. Eine ähnliche Botschaft erreichte mich auch von anderer Seite. Ich sollte schleunigst das Land verlassen, wurde mir geraten. Was ich am nächsten Tag auch tat. An der Grenze nach Bosnien-Herzegowina wurde ich zwar festgehalten, nach zwei Stunden, nach langen Telefongesprächen der Wachhabenden mit ihren Vorgesetzten, durfte ich die Grenze passieren.

Damit war die Absicht des serbischen Informationsministeriums klar ersichtlich. Man wollte mich loswerden, fürchtete jedoch negative Auswirkungen in der Weltöffentlichkeit.

Die jetzt mir gegenüber offiziell ausgesprochene Ausweisung ist eine deutliche Warnung auch an andere Journalisten, wie auch der Rausschmiß des ARD-Kollegen Friedhelm Brebeck zeigt. Doch solche Einschüchterungsmaßnahmen werden höchstens kurzfristig Folgen zeigen. Erich Rathfelder