Per Geschenkgutschein einen Ausbildungsplatz

■ Wer eine Lehrstelle sucht, braucht gute Noten. Alle anderen bleiben auf der Strecke, vor allem sind dies Hauptschüler. IG Metall und Arbeitgeberverband entdecken nun die Benachteiligten

Berlin (taz) – Die Spitzenmänner der Metall- und Elektrobranche treten an, um für Konsens zu werben. Klaus Zwickel, Chef der mitgliederstarken IG Metall, und Werner Stumpfe, Boß des Arbeitgeberverandes Gesamtmetall, wollen künftig große Aufgaben gemeinsam angehen: vor allem die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit.

Lernschwache Jugendliche, die keinen regulären Ausbildungsplatz in der Branche finden, sollen künftig nicht leerausgehen. Diejenigen, die versprechen, ihre schulischen Mängel in einem berufsvorbereitenden Lehrgang zu beheben, dürfen noch während der Nachschulung auf einen Ausbildungs- Vorvertrag hoffen. „Konditionierter Ausbildungsvertrag“ nennen die Tarifpartner dies in einer gemeinsamen Erklärung. In den kommenden zwei Jahren sollen 3.000 Jugendliche mit einem Lehrstellen-Gutschein bedacht werden.

Das Abkommen findet Freunde. „Die Idee ist hervorragend“, sagt Jürgen Thiel von der Bundesanstalt für Arbeit. Der Ausbildungsreferatsleiter prüft, wie sich das Modell in das System der Berufsbildungsförderung einpassen läßt. Derzeit werden rund 85.000 junge Menschen ohne Ausbildungsplatz in berufsvorbereitenden Kursen fitgemacht für eine Lehre. Allerdings finden nur 60 Prozent anschließend eine Ausbildungsstelle. Die meisten Abbrecher resignieren im Laufe des Kursjahres und suchen sich einen Billigjob. Die hohe Abbrecherquote, sagt Thiel, liege auch an der Systematik der Berufsvorbereitungskurse. In den ersten Wochen schnuppern die Teilnehmer in verschiedenen Berufsfeldern, dann erfolgt der schulische Unterricht. Tiefen Einblick in den beruflichen Alltag erhielten die Jugendlichen während der Vorbereitungsmaßnahme nicht, so Thiel.

Die Metaller propagieren nun ein dreiphasiges Vorbereitungsjahr. In der ersten Phase sollen sich die jungen Leute wie bisher in verschiedenen Berufsfeldern orientieren. Danach sollen jene, die sich für einen Metallberuf entscheiden, ein mindestens dreimonatiges Berufspraktikum absolvieren. In dieser Zeit können sich Ausbildungsbetrieb und Jugendlicher beschnuppern. Am Ende des Praktikums soll der Ausbildungsvorvertrag geschlossen werden. Im dritten Abschnitt der Berufsvorbereitung werden schulische Grundqualifikationen wie Rechnen und Schreiben gepaukt. Der Ausbildungsvertrag werde nur gültig, wenn der Jugendliche die Berufsvorbereitung erfolgreich abschließe, betont Gerhard Bartel, bei Gesamtmetall zuständig für Berufsausbildung.

Noch ist unklar, wie viele Betriebe sich an dem Projekt beteiligen werden. Sollten sich nicht genügend Firmeninhaber melden, um den 3.000 benachteiligten Jugendlichen zu helfen, „müssen wir checken, ob man die Motivationspeitsche für die Betriebe braucht“, bemerkt Bartel.

Er wird den Ochsenziemer nicht brauchen. Die Elektro- und Metallbranche leidet seit Jahren unter einem Imageproblem. Die Arbeit als Dreher oder Fräser ist bei Jugendlichen unattraktiv – zu sehr werden diese Berufe noch mit Schmutz und körperlicher Anstrengung verbunden. Außerdem haben die Arbeitgeber selbst zum Ausbildungsnotstand beigetragen. Wurden 1990 im Westen noch 48.036 neue Ausbildungsverträge in der Branche abgeschlossen, waren es im Ausbildungsjahr 1995 nur noch 29.637, im Osten 5.120. Im Zuge des Kahlschlags bei den Arbeitsplätzen sah man keine Veranlassung, für geeigneten Nachwuchs zu sorgen. Jetzt aber boomt die Metall- und Elektrobranche wieder, und qualifizierte Arbeiter fehlen. „Die Ausbildung erhält einen strategischen Stellenwert in der Standortdebatte“, stellt Klaus Heimann fest. Zufrieden registriert der Ausbildungsexperte der IG Metall, daß im Bezirk Niedersachsen ganz ohne Getöse die Steigerung von Ausbildungsplätzen bereits tariflich festgeschrieben wurde.

Die Profilierungsversuche der Metaller können nicht über das Desaster hinwegtäuschen, das sich auch in diesem Jahr auf dem Lehrstellenmarkt abzeichnet. In Heidelberg ist fast jeder neunte Arbeitslose unter 25 ohne Abschlußzeugnis. Für sie hat sich das Arbeitsamt etwas Besonderes ausgedacht. Jeder, der den Hauptschulabschluß an der Volkshochschule nachholt, soll für die Mühe belohnt werden. Das Amt übernimmt nicht nur die Kosten für Lernmittel, Fahrt und Teilnahme. Wer am Ende des dreiviertel Jahres die Prüfung schafft, kann sich zusätzlich 1.000 Mark Erfolgsprämie abholen.

Ob Lehrstellengutschein oder Erfolgsprämie: Die Not der Schulabgänger kann kein Modell abwenden – bestenfalls ein wenig lindern. Annette Rogalla