Koalition will Eklat vermeiden

■ Kompromiß bei Entscheidung über Holocaust-Mahnmal angestrebt. Delegation von Abgeordneten besichtigt den Eisenman-Entwurf

SPD und CDU wollen im Senat einen Eklat um das Holocaust- Mahnmal vermeiden. Das Thema eigne sich nicht für eine parteipolitische Auseinandersetzung und sei keine Koalitionsfrage, hieß es gestern übereinstimmend. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hatte sich am Sonntag gegen eine Realisierung der drei verbliebenen Entwürfe am Brandenburger Tor ausgesprochen.

Am 25. August wollen sich die SenatorInnen zunächst das überarbeitete Modell des US-Architekten Peter Eisenman anschauen, das im Deutschen Historischen Museum unter Verschluß gehalten wird. Als einen möglichen Kompromiß schlug der kulturpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Nikolaus Sander, gestern vor, daß der Senat am 25. August für den Standort am Brandenburger Tor stimmen und den Eisenman-Entwurf einer breiteren Öffentlichkeit zur Diskussion stellen könnte. Eine Abstimmung im Senat gilt zwar als unwahrscheinlich, wird aber aus SPD-Kreisen auch nicht ausgeschlossen. Dabei könnte erstmals der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen im Senat überstimmt werden. Von den SPD-SenatorInnen haben sich bislang Stadtentwicklungssenator Peter Strieder, Justizsenator Ehrhart Körting und Finanzsenatorin Fugmann-Heesing für den Eisenman- Entwurf ausgesprochen. Schulsenatorin Ingrid Stahmer, die einen Studentenentwurf favorisiert, der außerhalb des Wettbewerbs entstand, ist von dem Eisenman-Entwurf nicht überzeugt. Sie will ihre Entscheidung vom Verlauf der Diskussion im Senat abhängig machen. Den SPD-Senatoren sei die Entscheidung freigestellt, wies der Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas John, den Vorwurf Diepgens zurück, es sei eine SPD-Linie vereinbart. Von den CDU-Senatoren hat sich nur Kultursenator Peter Radunski für den Eisenman-Entwurf ausgesprochen.

Nach SPD und PDS hat sich gestern auch der CDU-Abgeordnete Rüdiger Jakesch dafür ausgesprochen, das Abgeordnetenhaus und den Bundestag in die Entscheidung über das Holocaust-Mahnmal einzubeziehen. Eine „Denkpause“ regte der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Volker Liepelt, an. Es müsse erlaubt sein, ernsthaft und gründlich über Ort und Gestaltung eines Mahnmals beziehungsweise über Alternativen nachzudenken.

Am Mittwoch wird eine Delegation von Abgeordneten aller Fraktionen Gelegenheit zur Besichtigung des Eisenman-Entwurfs erhalten. Dies hatte Kultursenator Radunski angeboten. Auch Parlamentspräsident Herwig Haase (CDU) wird an dem Termin teilnehmen. Dorothee Winden

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