Des einen Zwang, des anderen Haus

■ 40.000 Hausbesitzer verloren 1997 ihr Eigenheim durch Zwangsversteigerung. Schnäppchenjäger sollten sich genau informieren

Nürnberg (taz) – Selbst ein Haus zu bauen oder eine Wohnung vom Bauträger oder Vorbesitzer zu kaufen ist der normale Weg zum Wohneigentum. Zunehmend beliebter wurde in den vergangenen Jahren allerdings die Jagd nach Immobilien-Schnäppchen bei deutschen Amtsgerichten. Denn längst nicht alle Bauherren und Häusle- Besitzer halten durch. Allein 1997 stieg die Zahl der Zwangsversteigerungen um mehr als 20 Prozent – 40.000 Objekte im Wert von 20 Milliarden Mark wechselten den Besitzer. Besonders dramatisch, teilt das Bauministerium mit, stieg die Zahl der Zwangsversteigerungen in einigen ostdeutschen Städten (Halle, Chemnitz und Potsdam), aber auch in westlichen Städten wie Freiburg, Düsseldorf und Saarbrücken kamen mehr Immobilien unter den Hammer. Echte Schnäppchen, so Experten, sind allerdings selten. Doch gerade für Kapitalanleger bieten sich bei den Versteigerungsterminen oft günstige Gelegenheiten.

Vorgeschrieben ist, daß das Amtsgericht die Termine für Zwangsversteigerungen zwei Monate vorher bekanntgibt. Inzwischen sammeln private Verlage die Terminlisten der 800 deutschen Amtsgerichte und geben regelmäßig einen „Versteigerungskalender“ heraus. Wer bei der Vorauswahl fündig geworden ist, sollte möglichst viele Informationen über das Wunschobjekt zusammentragen. Beim Gericht findet der Interessent neben dem Grundbuchauszug, der mögliche Belastungen wie Wege- oder Wohnrechte enthält, ein Verkehrswertgutachten. Darin werden das Objekt und die Lage detailliert beschrieben, es nennt die laufenden Kosten und gibt eventuell vorhandene Sondernutzungsrechte an.

Der im Gutachten angegebene Verkehrswert ist allerdings mit Vorsicht zu genießen: Auch Gutachter können irren, und da zwischen Termin des Gutachtens und Versteigerung oft längere Zeit vergeht, können sich baulicher Zustand und Preisniveau auf dem Markt ändern. Deshalb ist die persönliche Besichtigung des Objekts, möglichst mit einem Baufachmann, nie verkehrt. Allerdings müssen der Vorbesitzer oder die Mieter den Interessenten nicht hereinlassen. Ratsam ist es auch, mit der Gläubigerbank Kontakt aufzunehmen. Dort kann man beispielsweise erfahren, ob und zu welchem Preis das Kreditinstitut bereit ist, mit Einverständnis des Eigentümers vorab zu verkaufen. Für alle, die ein Objekt bei der Versteigerung erwerben wollen, heißt dies natürlich, daß sie einen Tag vor dem angesetzten Termin noch einmal beim Amtsgericht nachfragen sollten, ob dieser auch wirklich stattfindet. Denn nicht nur der Vorabverkauf ist möglich – auch Schuldner und Bank konnten sich vielleicht noch einigen.

Zwar sind die Einstiegspreise bei der Versteigerung meistens günstig und die Interessenten sparen sich die lästigen Maklerkosten, doch jeder sollte sich vorher genau überlegen, bis zu welchem Höchstpreis er bei den zum Teil hitzigen Auktionen mitgehen will. Ablauf und Regeln sowie die Atmosphäre einer solchen Versteigerung sollte man besser schon vor dem Ernstfall kennenlernen. Bei der Festlegung seines eigenen Preislimits müssen Mitsteigerer auch an die Nebenkosten wie Grunderwerbssteuer, Zuschlags- und Grundbuchgebühr denken (zusammen rund 5 Prozent des Preises).

Wer am Ende der Auktion den Zuschlag erhalten hat, kann dann nur noch hoffen, daß die Immobilie hält, was sie versprochen hat. Denn für Mängel haftet bei der Versteigerung niemand. Und mit der Selbstnutzung muß sich der Ersteigerer meist auch gedulden. Wenn der Vorbesitzer darin wohnt, gilt die Zwangsversteigerung wie ein Räumungsbeschluß: Er muß ausziehen. Mieter allerdings können in der Regel nur bei Eigenbedarf des neuen Eigentümers vor die Tür gesetzt werden. Horst Peter Wickel