Schlachtet den Mainstream!

Restauration oder Ausverkauf? Heute startet das 12. Fantasy Filmfest. Zwischen allzu Gediegenem schlummert das echte Grauen  ■ Von Christian Buß

Eine recht verfahrene Sache, dieses Genre. Wurde Gewalt und Horror und Anomalie in den Anfangstagen des Fantasy Filmfests Mitte der Achtziger noch via Videothek und Bahnhofskino vertrieben, gehören sie inzwischen längst zum guten Ton auf dem Kino-Markt der Massen. Und wer über die zwölfjährige Geschichte des Fantasy Filmfests spricht, berichtet auch immer über die Geschichte der Mainstreamwerdung des Horrorfilms.

Was nicht heißt, daß auf dieser Kinoschau des Monströsen und Mutierten nur Mainstream-Ware gezeigt wird. Im Gegenteil, das diesjährige Programm zeigt deutlich, welch tiefer Graben inzwischen durch das Reich des Bösen verläuft: Auf der einen Seite stehen jene unverwüstlichen Gestalten, die für den wahren Horror kämpfen, und, zugegeben, manchmal bleibt der ästhetische Mehrwert hinter der starken Geste zurück. Auf der anderen Seite stehen jene Künstler, deren Orgien niemals die Grenzen des Schicklichen überschreiten – kommerzieller Erfolg ist hier garantiert, akademische Heiligsprechung nicht ausgeschlossen. Das also ist das Spannungsfeld, in dem sich das stetig wachsende Fantasy Filmfest behaupten muß, weshalb man sich mit Ausverkauf-Vorwürfen zurückhalten sollte. Zwar findet die Veranstaltung dieses Jahr erstmals im protzigen Cinemaxx statt, andererseits ist unter den gut 70 Arbeiten wieder viel unverdaulicher Horror zu sichten, der sonst niemals seinen Weg auf eine deutsche Leinwand gefunden hätte.

Serial Lover, mit dem heute das Filmfest eröffnet wird, steht für die Popularisierung. Die ausgetüftelte Groteske von James Huth kommt in elegantem Interieur und schickem Cocktailkleidchen daher. Zufällig drangsalierte Liebhaber, mit Schlittschuhkufen gespaltene Schädeldecken – der Franzose fährt mit Gimmicks auf, die seit Quentin Tarantino zum guten Ton gehören. Wie ein außer Rand und Band geratenes Uhrwerk stolpert die Hauptdarstellerin von einem Mißgeschick ins nächste – und entledigt sich dabei unfreiwillig ihrer Liebhaber. Das Melodram ist gleich null, die Mechanik enorm. Dynamik und Kunstwille erinnern an Delicatessen, aber sowas wie Thrill kommt nicht auf. Potentiell ist Serial Lover ein Hit. Nur schocken tut er eben nicht.

Zum Glück gibt es John Carpenter. Der Mann, der ein paar Jahre als sichere Einnahmequelle für die großen Studios funktionierte, macht seit geraumer Zeit als einsamer Kämpfer des B-Movies eine gute Figur. „Schlachtet den Mainstream!“ könnte der Schlachtruf zu seinen immer ein bißchen psychotischen jüngeren Arbeiten lauten. Sein Output ist gewaltig, nicht alles kickt, aber Haltung kann man diesem alten Herrn des nicht immer subtilen Horrors keineswegs absprechen. Und einige seiner nonchalant runtergekurbelten Filmchen verraten eine Menge darüber, wie Horror funktioniert. Beim Fantasy Filmfest ist der Routinier und Rebell mit Vampires vertreten, einer besonders ausschweifenden Version des Blutsauger-Motivs.

Vielleicht ist das Genre am besten, wenn er nur ganz milde gängige Sujets variiert. Serienerfolge sind in diesem Genre keineswegs ein Zeichen von Einfalt, weshalb denn auch Don Coscarelli, dem Erschaffer des Phantasm-Sequels, eine Hommage gewidmet ist. Gleichsam als Gegenbewegung zur Tendenz ins Geschmackvolle und Gediegene tun sich viele Regisseure als Restauratoren des genuinen Horrors hervor. Zum Beispiel der altgediente Brian Yuzna, der zwischenzeitlich eher ironisch gebrochene Arbeiten vorlegte, im zweiten Teil von The Dentist aber – Schluß mit lustig! – ohne komische Sperenzchen den Schwingbohrer über ein paar unvorbereitete Zahnarztbesucher gleiten läßt.

Apropos altgedient: In der diesjährigen Retrospektive wird der Drehbauchautor Jimmy Sangster gewürdigt, der in den Fünfzigern und Sechzigern die durchaus doppelcodierten Werke der legendären Hammer Studios prägte. Über ihn – wie auch über andere Aspekte der Kinoschau – werden wir in den nächsten Tagen ausführlicher berichten.

Und noch ein alter Mann: ein kleines Comeback erlebt der Busengrabscher und Augendreher Maximilian Schell gleich in mehreren Beiträgen, unter anderem in Vampires. Dafür war der Horrorfilm ja immer gut: Leichen wiederzubeleben – und dabei gut aussehen zu lassen.

Das Fantasy Filmfest läuft bis zum nächsten Mittwoch in Cinemaxx und Fama. Programmhefte liegen in den Kinos aus.