Rot-grün in der Sackgasse

Volksgesetz: SPD und GAL werfen sich gegenseitig Verhandlungsunfähigkeit vor. Nun muß erstmalig der Koalitionsausschuß tagen  ■ Von Silke Mertins

Ausgerechnet sechs Wochen vor den Bundestagswahlen sind SPD und GAL mit Vollgas in die Sackgasse gefahren. Zum ersten Mal seit Bestehen der rot-grünen Regierung in Hamburg muß am Samstag der Koalitionsausschuß unter Vorsitz von Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) angerufen werden. Denn die Suche nach einer Lösung für den Konflikt um die Volksgesetzgebung scheiterte am Montag abend erneut. Die Koalitionäre warfen sich gestern gegenseitig Verhandlungsunfähigkeit vor.

Die SPD will bei Volksentscheiden die jetzigen Hürden beibehalten. Die GAL unterstützt hingegen die Initiative „Mehr Demokratie“, die eben jene Hürden bekämpft und die Abstimmung über eine Verfassungsänderung für den 27. September auf den Weg gebracht hat. Wenn 25 Prozent der Bevölkerung sich am Volksentscheid beteiligen, soll die Mehrheit gelten, lautete das letzte Kompromißangebot der GAL. Doch das ist der SPD noch immer zu wenig. Sie erwartet, daß die Grünen sich noch weiter bewegen und schlugen am Montag vor, daß sich mindestens 35 bis 40 Prozent beteiligen müssen.

SPD-Fraktionsvize Walter Zuckerer ist ob der unübersichtlichen Lage derzeit nicht gut auf den Koalitionspartner zu sprechen. Die Gespräche seien ergebnislos verlaufen, weil die GAL plötzlich „nicht mehr verhandlungsfähig“ gewesen sei. 25 Prozent Beteilungsquorum seien „überraschend“ das letzte Wort der Grünen und nicht mehr die Verhandlungsgrundlage gewesen. „Diese Obergrenze ist bei der SPD nicht durchsetzbar“, stellt Zuckerer klar.

„Es ist nicht an unserer nicht vorhandenen Beweglichkeit gescheitert, sondern daran, daß das Angebot der SPD nicht tragbar war“, spielt GAL-Fraktionschefin Antje Möller den Ball zurück. Ein „Af-front“ und ein Zeichen von Führungsschwäche sei außerdem, daß die „Sechser-Bande“ um Jan Ehlers (SPD) ihren Antrag für die Beibehaltung der Hürden erneut in die Bürgerschafts-Sondersitzung am nächsten Mittwoch einbringt. „Man stelle sich vor, was los wäre, wenn Teile der GAL so etwas bringen würden.“

Möller ist auch unsicher, ob die SPD-Führung überhaupt „ein Mandat“ für die Verhandlungen hat. Anders ausgedrückt: Ob die Fraktion mitzieht. „Wir können uns nicht noch einen Schritt bewegen, wenn nicht klar ist, ob der Kompromiß nächste Woche auch hält.“ Auch Parteisprecherin Antje Radcke hatte den Eindruck, „daß jeder Kompromiß bei der SPD unter Vorbehalt steht.“

Zuckerer weist diese Sichtweise als „dummes Zeug“ zurück. „Wir verhandeln als SPD-Führung“, sagt er. Daß ein mögliches Ergebnis der Fraktion vorgestellt und von ihr gebilligt werden müsse, sei nichts ungewöhnliches. Ein offenes Geheimnis ist allerdings, daß die SPD-Abgeordneten in dieser Frage schwer zu bändigen sein werden.

Parteichef Jörg Kuhbier, der öffentlich vor drei Wochen gesagt hat, man könne über ein 25prozentiges Beteiligungsquorum reden, wenn es zu einer Einigung mit der GAL führen würde, bekam aus den eigenen Reihen schwer eins auf die Glocke. Und auch die Grünen werden am Sonntag nicht mit einem zu großen Zugeständnis an die SPD vor ihre Mitgliederversammlung treten können. Zähne zeigen ist angesagt.