„Den Artikel kannst Du runtermetern“

■ Einführung in den Lokaljournalismus, 5. Lektion: Von der Kraft der Schnelligkeit

Klasse, wirklich klasse! Sie, liebe TeilnehmerInnen der kleinen Schule des Lokaljournalismus, haben wirklich Talent. Täglich erreichen uns Ihre Artikel mit ganz wunderbaren Bremen-Drehs, kongenialen Überschriften und beispielhafter Nähe zu den Sorgen, Nöten und Bedürfnissen der LeserInnen. Wenn Sie so weitermachen, gefährden Sie noch unsere Arbeitsplätze. Aber bevor wir Ihnen wie angekündigt den „Ho-ho-ho-Faktor“ erklären, müssen wir uns einem Ihrer Probleme widmen: Sie sind noch kein echter Lokaljournalist, denn Sie sind zu langsam. Sie haben dauernd Ladehemmung. Darum bringen wir Ihnen heute bei, wie man Artikel runtermetert.

Ein richtiger Lokaljournalist hat nämlich keine Ladehemmung. Er oder sie ist jederzeit in der Lage, einen Artikel herunterzumetern. Ein Aufmacher in acht Minuten ist für den Profi kein Problem. Für einen Kommentar sind im Bedarfsfall zwei Minuten zu veranschlagen. Und es soll sogar schon vorgekommen sein, daß ein gewisser Dirk T. aus W. eine 400-Zeilen-Reportage in minus 18 Minuten geschrieben hat. Doch danach soll er verwirrt gewesen sein und gesagt haben: “.redeiw ein hci ehcam saD„ Auch Schnelligkeit hat ihre Grenzen. Aber bis zum Null-Minuten-Limit ist alles erlaubt.

Sie haben einen Termin. Um elf Uhr lädt der Initiativkreis zur Gleichstellung der Haustiere Landesverband Bremen e.V. zur Pressekonferenz. Sie sind pünktlich. Es gibt Kaffee oder auch Tee („in der schwarzen Kanne ... den Deckel nicht drücken, sondern drehen, ...“). Schweigen. Es ist 11.20 Uhr. Nachdem auch der Kollege der zweitgrößten Lokalzeitung angekommen ist ( „Sie sind umgezogen?! Wieso sagt mir das keiner!!“ „Tschuldigung, aber das war vor drei Jahren.“), beginnt die Pressekonferenz.

Der Vereinsvorsitzende, ein Ex-Senator, berichtet (nach einer zwanzigminütigen Einleitung über das Haustierwesen an sich und die Reinlichkeitsgewohnheiten seiner Katze im besonderen), daß ein stückweit von einer Ungleichbehandlung von weiblichen und männlichen Haustieren, aber auch von Hunden gegenüber Katzen auszugehen sei. Die stellvertretende Vorsitzende ergänzt (nach einer zehnminütigen Beschreibung der Reinlichkeitsgewohnheiten ihres Katers), daß sich das Problem seit Gründung des Initiativkreises ein stückweit irgendwie entspannt habe, sich die Lage aber gleichwohl zuspitze. Nach fünf Minuten widerspricht die Schriftführerin spontan und verweist auf den 32seitigen Jahresbericht des Vereins. Demnach könne die Entwicklung so, aber auch so interpretiert werden („noch etwas Tee?“). Gegen 12.45 sind Sie wieder in der Redaktion und schreiben Ihren Artikel.

Sie haben längst gelernt, was die Nachricht ist. Sie kennen die fünf „W's“ und können blitzschnell beantworten, wer was wo warum und in welchem Zusammenhang gesagt hat. Jetzt müssen Sie nur noch Ihren Artikel runtermetern. Sie haben drei Minuten Zeit. Inclusive Service-Kasten „Wie kommt das Tier ins Haus?“ und ziehender Überschrift „Sodomisten unterwandern Bremen“. Die Uhr läuft. ck

Die nächste Folge klärt Sie über den „Ho-ho-ho-Faktor“ auf