Zwei Bremer Karrieren

■ Aufstieg und Fall der von Bocks – Polizeipräsident von Bock scheiterte ebenso wie sein Sohn der Innenstaatsrat

„14 Uhr von Bock und Polach, Hans-G. – sechs Zeugen“ steht in geschwungener Schreibschrift auf dem Blatt Papier, das im Bremer Amtsgericht vor der Tür zum Sitzungssaal 551 hängt. Seit April wird hier gegen den ehemaligen Oberstaatsanwalt und Innenstaatsrat Hans-Georg von Bock und Polach wegen Strafvereitelung im Amt verhandelt. „Bevor ich hier wieder schulmeisterlich zurechtgewiesen werde, möchte ich einen Antrag stellen“, sagt von Bock kurz nach Beginn der Verhandlung. Eine gefährliche Körperverletzung aus dem Jahre 1991 soll am heutigen Prozeßtag verhandelt werden. Im November 1991 wurde ein damals 55jähriger Mann von mehreren Türken zusammengeschlagen als er in Bremen-Vegesack Wahlplakate für die DVU klebte. Der Mann, der sich vor Gericht als „Kämpfer an der Front“ bezeichnet, trug bei der Schlägerei eine schwere Verletzung am Auge davon. Die Anzeige landete seinerzeit auf von Bocks Schreibtisch, blieb liegen und verjährte. Der Fall gehört zu 181 unbearbeiteten Akten, die nach der Berufung von Bocks zum Staatsrat in seinem Arbeitszimmer gefunden worden sind. Über 100 Ordnungswidrigkeiten, die der ehemalige Oberstaatsanwalt nicht richtig bearbeitet haben soll, sind inzwischen eingestellt. In fünf Fällen hat die Generalstaatsanwaltschaft Anklage wegen Strafvereitelung im Amt erhoben. Im Juni 1997 trat von Bock wegen der Aktenaffäre als Innenstaatsrat zurück.

Von Bock beantragt die Einstellung des Verfahrens. Die Staatsanwältin lehnt ab. „Warum?“ will von Bock wissen. „Ich glaube nicht, daß ich auf Bitten von Angeklagten hier meine Entscheidungen näher bergründen muß“, erwidert die Staatsanwältin. Die Stimmung im Gerichtssaal ist gereizt. Gesichtsausdruck und Tonfall verraten von Bocks Empörung darüber, daß die Justiz es gewagt hat, ihn auf die Anklagebank zu setzen. Ihn, den ehemaligen Oberstaatsanwalt und stellvertretenden Chef der Staatsanwaltschaft.

Der Name von Bock steht in Bremen für den steilen Aufstieg und den tiefen Fall zweier Karrieren von Vater und Sohn. Von Bocks Vater, Erich von Bock und Polach, war 25 Jahre lang Polizeipräsident in Bremen. Als er 1975 im Alter von 64 Jahren auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt wurde, konnte er für sich in Anspruch nehmen, der dienstälteste Polizeipräsident der Bundesrepublik zu sein. Doch seine Versetzung in den Ruhestand war nichts anderes, als der Quasi-Rücktritt eines von Skandalen gebeutelten Polizeichefs.

Von Bock stand damals unter dem Verdacht, einem der CDU-nahen Journalisten im Zusammenhang mit der Sonderkommission Baader-Meinhof am Telefon Dienstgeheimnisse verraten zu haben. Als eine vermeintliche Niederschrift des Telefonats in der Bürgerschaft verlesen wurde, brach von Bock auf der Zuschauertribüne zusammen. Noch während der disziplinarrechtlichen Untersuchungen ersuchte von Bock dann um seine Pensionierung. Ein Untersuchungsausschuß befaßte sich mit der Affäre. Von Bock konnte aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes jedoch nie zu den Vorwürfen vernommen werden.

Es war nicht das erste Mal, daß der Polizeipräsident in die Schlagzeilen geraten war. Als Polizisten die Demonstranten 1968 bei den Straßenbahnunruhen einkesselten, feuerte von Bock die Beamten an, mit den Worten: „Draufhauen, nachsetzen“. Auch diesmal befaßte sich ein Untersuchungsausschuß mit den Äußerungen von Bocks.

1960 mußte sich der Polizeipräsident – wie jetzt sein Sohn – vor Gericht verantworten. Der Polizeipräsident hatte sich vom Direktor der Bremer Mercedes-Niederlassung schicke Limousinen ausgeliehen. Passive Bestechlichkeit, lautete die Anklage. Nach sieben Verhandlungstagen sprachen die Richter von Bock frei. Sie hatten keinen Beweis dafür gefunden, daß der Polizeipräsident sich des ihm gewährten Vorteils bewußt war. Anschließend stand von Bock, der für fast eineinhalb Jahre vom Dienst suspendiert worden war, vor der Dienststrafkammer. Die Berichte über die Verhandlung 1961 lesen sich ähnlich, wie die Gerichtsberichte über den Prozeß gegen seinen Sohn im Jahr 1998. „Wenn ich etwas falsch gemacht habe, dann haben meine Familie und ich genügend darunter gelitten“, wird Polizeipräsident Erich von Bock und Polach 1961 zitiert. „Ich habe genug Einbußen gehabt“, klagt auch sein Sohn 1998. Während seiner Zeit als Oberstaatsanwalt seien ihm die Scheiben eingeschmissen worden, erzählt er. „Die Kosten habe ich selbst übernommen. Da hat sich kein Schwein drum gekümmert.“ Beide von Bocks fühlten sich unschuldig verfolgt. Er habe die Akten nicht „genügend fördern können“, räumt der ehemalige Oberstaatsanwalt von Bock ein. Aber er sei überlastet gewesen. „Sicherlich habe ich etwas falsch gemacht“, sagte auch Polizeipräsident von Bock 1961. „Aber ich fühle mich nicht schuldig, daß ich in bezug auf mein Amt dem Staat hohen Schaden zugefügt hätte.“ Das Gehalt des Polizeipräsidenten wurde damals drei Jahre lang um 20 Prozent gekürzt. Er kehrte in den Dienst zurück. Von Bock verfüge über ein Parteibuch der SPD, das ihn schütze, schrieb der Weser-Kurier damals über den Polizeipräsidenten. Von Bock junior gab sein SPD-Parteibuch 1995 hingegen zurück. Er war Staatsrat im CDU-geführten Innenressort geworden. kes