Das Portrait
: Integrer Gegner von Syriens Staatschef

■ Riad al-Turk

Jahrelang wurde sein Name in Syrien allenfalls geflüstert. Riad al-Turk galt als wohl integerster Gegner von Staatschef Hafis al-Assad. Der Rechtsanwalt kämpfte für die Einhaltung der Menschenrechte und hatte als Generalsekretär der kleinen Untergrundpartei „Kommunistische Partei Syriens – Politbüro“ schon in den 70er Jahren mit Perestroika und Glasnost vergleichbare Ideen, weit bevor diese in der Sowjetunion offiziell ein Thema waren. Syriens Herrscher steckte ihn dafür 1980 in den Kerker. Und jeder Syrer, der verdächtigt wurde, mit den Ideen al-Turks zu sympathisieren, mußte fürchten, das gleiche Schicksal zu erleiden.

Nach 18 Jahren Haft – ohne Anklageerhebung, geschweige denn Gerichtsverfahren – kam al-Turk nun frei. Staatschef al-Assad ließ Gnade walten. Per Präsidialerlaß verfügte er im Juni die Freilassung von insgesamt 30 politischen Gefangenen, darunter auch der Anwalt. Al- Assad kann sich diese Güte leisten. Denn 28 Jahre nach seiner Machtübernahme kann dem Staatschef die Untergrundopposition dank jahrelanger rigider Verfolgung nicht mehr gefährlich werden.

Al-Turk wurde über 18 Jahre vollständig von der Außenwelt isoliert. Nur dreimal durfte ihn seine Familie besuchen. Trotz schwerer Diabetes, chronischer Herzschwäche und Nierenversagen wurde er gefoltert. Einmal so schwer, daß er im Militärkrankenhaus von Damaskus notbehandelt werden mußte. Im Dezember 1987 fiel er für fast einen Monat ins Koma.

Amnesty international startete immer wieder Eilaktionen für den gewaltlosen politischen Gefangenen. Äußerst selten drangen Berichte über den Zustand des Gefangenen aus dem berüchtigten Gefängnis im Damaszener Stadtteil al-Mese nach außen. Im vergangenen Jahr berichtete ein entlassener Mitgefangener, al-Turk sei auf dem besten Wege, verrückt zu werden. Im Gefängnis habe er den Status eines Narren.

Freunde al-Turks befürchteten damals das Schlimmste, der syrischen Staatsführung schien es gelungen zu sein, ihren Gegner zu brechen. Doch nach seiner Freilassung sieht die Lage besser aus. Mehrmals telefonierte der Dissident, der sich bei seiner Familie aufhält, inzwischen mit Anhängern und Menschenrechtlern im Ausland. Die bemerkten, al-Turks Stimme klinge „ausgesprochen gut“. Thomas Dreger