Eine Einzelzelle für den Vater des Krieges

Der palästinensische Topterrorist Abu Nidal wurde angeblich in Ägypten gefaßt. Seine Anschläge richteten sich zumeist gegen Mitglieder der PLO. Manche Beobachter halten ihn deshalb für einen israelischen Agenten  ■ Von Georg Baltissen

Jerusalem (taz) – Abu Nidal, einer der meistgesuchten Terroristen, soll gefaßt worden sein. Laut Angaben der israelischen Zeitung Jedioth Achronoth und der arabischen al-Hayat wurde der Palästinenser vor zehn Tagen in Ägypten verhaftet. Angeblich versuchte er, mit einem gefälschten Paß ins Land zu reisen. Staatliche ägyptische Medien wiesen die Berichte gestern zurück. Doch ein offizielles Dementi der ägyptischen Regierung gab es nicht.

Abu Nidal (Vater des Krieges), der bürgerlich Abri al-Banna heißt, werden Dutzende Terroranschläge angelastet. Zumeist richteten sie sich gegen die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO), nicht aber gegen Israel. Abu Nidals spektakulärster Erfolg war die Ermordung des PLO-Geheimdienstchefs Abu Ijad (Salah Chalaf) und seines Stellvertreters, Abul-Hol, am Vorabend des zweiten Golfkrieges im Januar 1991. Beiden wurde nachgesagt, daß sie der PLO-Allianz mit Iraks Staatschef Saddam Hussein widersprachen. Beide wurden in ihrem Haus in Tunis von einem Bodyguard in Diensten Abu Nidals niedergestreckt.

Anfang der 70er Jahre sagte sich Abu Nidal von der PLO los, als diese die Forderung nach „Befreiung ganz Palästinas“ aufgab. Unterstützung fand er bei unterschiedlichen arabischen Regimen. In den 70er Jahren war es Saddam Hussein, der sich die Dienste Abu Nidals zunutze machte, um PLO- Vertreter in Europa zu ermorden, die für Gespräche zumindest mit der israelischen Opposition eintraten. Das Bonner PLO-Büro wurde im Jahre 1979 sogar für Wochen geschlossen, aus Furcht vor einem Anschlag Abu Nidals, den die PLO damals freilich aus propagandistischen Gründen dem israelischen Geheimdienst Mossad anzulasten pflegte.

In der zweiten Hälfte der 80er Jahre, nach dem gescheiterten prosyrischen Militärcoup innerhalb der PLO fand Abu Nidal Zuflucht in Syrien. Von dort setzte er seine Terrorangriffe auf PLO-Vertreter fort. Finanziell sanierte er sich und seine Organisation durch Erpressung. Das saudische Königshaus zahlte nach Angaben des britischen Journalisten Patrick Seale mehrere Millionen US-Dollar, um von Anschlägen verschont zu bleiben.

Ende der 80er Jahre kehrte Abu Nidal in das Reich seines wichtigsten Mentors, Oberst Muammar al-Gaddafi, nach Libyen zurück, wo er über Jahre zentrale Ausbildungslager unterhalten hatte. Dissidenten in den eigenen Reihen ließ er rücksichtslos verfolgen und wenn nötig ermorden. Etliche seiner Anhänger sagten sich deshalb von ihm los und kehrten in die Reihen der PLO zurück.

Anschläge auf britische, griechische, zypriotische, österreichische oder deutsche Ziele, zumeist Flughäfen, brachten die PLO noch in den 80er Jahren in Mißkredit, als diese längst die Unterstützung europäischer Staaten suchte. Nicht zuletzt deshalb vermuten PLO- Funktionäre wie Geheimdienstchef Abu Ijad und unabhängige Beobachter, daß der sogenannte Revolutionäre Rat Abu Nidals von israelischen Agenten durchsetzt war – mit dem Ziel, die PLO zu diskreditieren. „Wenn Abu Ijad recht hat, daß Abu Nidal ein israelischer Agent war“, schreibt Patrick Seale in seinem Standardwerk „A gun for hire“, „so war der Beweis dafür doch nur indizienhaft. Und er wird es auch bleiben, solange die Israelis nicht ihre Sicht der Geschichte veröffentlichen.“

Noch zu Beginn der 90er Jahre verfügte Abu Nidal über ein sicheres Hauptquartier in der libanesischen Hafenstadt Sidon. Auch Ägypten erlaubte ihm nach dem Krieg gegen Saddam Hussein und der Parteinahme der PLO für den Irak die Eröffnung eines Büros in Kairo. Abu Nidal wußte freilich nur zu gut, daß seine Gönner stets ihren eigenen Interessen folgen.

Um so unverständlicher sind seine Reise aus dem libyschen Exil nach Ägypten und seine prompte Festnahme. Vielleicht ist es kein Zufall, daß die Meldung über die Festnahme Abu Nidals just am Vorabend eines offiziellen Besuches von Jassir Arafat in Kairo publik gemacht wurde. Zwar wurde Abu Nidal 1974 von der PLO in Abwesenheit zum Tode verurteilt, doch Anstrengungen, seiner habhaft zu werden, sind erst ein Vierteljahrhundert später von Erfolg gekrönt worden. Derzeit dürften weder ein arabisches Regime noch die israelische Regierung ein Interesse an den Diensten des Terroristen haben. Seine Festnahme könnte darauf hindeuten, daß seine Zeit abgelaufen ist. Doch wem er sein Wissen vermacht, und wer davon profitiert, bleibt eine spannende Frage.