Der letzte aus der Gründerzeit

■ In seinem Haus in Salzburg ist im Alter von 77 Jahren Hans-Joachim Kulenkampff gestorben. Er war einer der beliebtesten Showmaster, Schauspieler und Vorleser des deutschen Fernsehens

Berlin (taz) – Im März erklärte Hans-Joachim Kulenkampff letztmals, nie mehr im Fernsehen auftreten zu wollen. Comeback-Versuche, Karikaturen medialer Wiederbelebungsversuche gleich, waren gescheitert. Selbst in den Dritten Programmen erzielte er keine Quote mehr. Das muß ihn geschmerzt haben, schließlich zählte er von 1953 bis 1987 zu den – generationenübergreifend – beliebtesten Stars des (west-)deutschen Fernsehens. Wie erst gestern bekannt wurde, starb „Kuli“ bereits am Freitag 77jährig in seinem Haus in Salzburg.

Er war die letzte der großen deutschen TV-Figuren der Gründerjahre. Wie Peter Frankenfeld („Vergißmeinnicht“) oder Robert Lembke („Was bin ich?“) hatte auch Kulenkampff seine Sendung, die ohne ihn nie die Popularität erreicht hätte: „Einer wird gewinnen“, eine der damals typischen Samstagabendshows, bei der die Familie noch gemeinsam vor dem Bildschirm saß und gemeinsam eine Melange aus Quiz und Show goutierte.

Kulis Show – die er übrigens so notorisch wie straflos überzog – hatte im Gegensatz zu jenen seiner Kollegen eine besondere Note: Sie war europäisch orientiert, verzichtete auf jede nationale Tümelei. Von den acht SpielkandidatInnen waren stets sieben aus nichtdeutschen Landen. Mit Kuli lernte die deutsche TV-Gemeinde sympathische junge Leute aus den Nachbarstaaten kennen.

Zudem verstand sich Kulenkampff auf ein Entertainment, das für deutsche Verhältnisse sehr britisch daherkam: sarkastisch, manchmal beißend, hin und wieder politisch – im durchaus linken, damals vornehmlich sozialdemokratischen Sinne. Kuli konnte sich Anspielungen im Sinne der Brandtschen Ostpolitik oder für die rebellierenden Studenten Sottisen wider die alten Kameraden oder Spießer schlechthin locker leisten: Er kam immer so seriös, so soigniert distanziert wie höflich daher, daß niemand ihm am Zeug flicken konnte.

Der gebürtige Bremer Kaufmannssohn wurde Mitte der achtziger Jahre schließlich doch ein Opfer eines Alterswechsels. Mit der Etablierung privater Medien schwand auch der Erfolg von „Einer wird gewinnen“ – grellere Shows waren nun gefragt. Kulenkampff wechselte ins Vorleserfach. Mehr als 2.000mal las er der Nation „Nachtgedanken“ vor.

Am Ende dann haderte Kulenkampff, dieser beste Großvater der Nation, sehr mit dem Fernsehen. Er kritisierte das Unvermögen seiner Kollegen, meckerte über die lausige Qualität und das obszöne Gerede in den nachmittäglichen Talkshows. Es war nicht mehr sein Medium. Jan Feddersen