Ich war's nicht – mein Schwanz war's

■ US-Präsident Bill Clinton gibt eine Beziehung zu Monica Lewinsky zu. Als Grund nennt er einen „entscheidenden Aussetzer des Urteilsvermögens“. Nach seiner TV-Ansprache stürzt er in Umfragen ab, der Dow Jones dagegen steigt

Berlin (taz) – Nein, ein Amtsenthebungsverfahren wird den US-Präsidenten Bill Clinton wohl nicht aus dem Weißen Haus vertreiben – trotz seines Eingeständnisses, die Öffentlichkeit, den Sonderermittler Kenneth Starr, seine Frau Hillary und seine Tochter Chelsea sieben Monate lang über sein Verhältnis mit Monica Lewinsky getäuscht zu haben. Das nämlich, sagte Clinton einem Fernsehvolk, das trotz seiner Bekundungen vom Januar ohnehin nicht mehr an die präsidiale Treue glaubte, sei tatsächlich eine „nicht angebrachte“ Beziehung gewesen. Im September wird Starr seinen Abschlußbericht vorlegen – und der wird sich der Frage widmen, ob der Präsident unter Eid gelogen oder andere zum Lügen angestiftet hat.

In seiner Ansprache ging Clinton weiterhin davon aus, daß er am 17. Januar unter Eid „rechtlich akkurat“ gesprochen habe, als er den Anwälten der Paula Jones versicherte, er habe „keine sexuelle Beziehung“ zu Monica Lewinsky gehabt, eine Aussage, die Clinton neun Tage später öffentlich wiederholte. Ob diese Aussage tatsächlich hält, ist noch unklar – um die notwendige Mehrheit in beiden Häusern des Kongresses für ein Amtsenthebungsverfahren zusammenzubekommen, dürfte das jedoch nach übereinstimmender Meinung von Beobachtern nicht reichen.

Es sei, sagte Clinton weiter, jetzt Zeit, das Privatleben des Präsidenten zu respektieren und die ganze Geschichte zu beenden – vor allem die Ermittlungen des Kenneth Starr, die ohnehin schon viel zu lange dauerten, zu teuer seien und zu vielen unschuldigen Menschen geschadet hätten. Der Präsident versuchte den Angriff – und wenigstens die Wall Street ging mit: Gestern früh reagierte die US-Börse mit Kursgewinnen auf die Rede Clintons. Der Dow-Jones-Index legte in der ersten halben Stunde des Handels um 50 Zähler zu. Auch erste Umfragen bestätigen, daß eine Mehrheit von 53 gegen 39 Prozent der US- AmerikanerInnen mit der Aussage ihres Präsidenten zufrieden sind – allerdings hat sich die Meinung der Menschen über Clinton deutlich verschlechtert: Nur noch 40 Prozent denken positiv über ihn, gegenüber 60 Prozent noch vergangene Woche.

Die Republikaner, die in beiden Häusern des Kongresses die Mehrheit stellen, zeigten sich wütend über die Angriffe auf Sonderermittler Starr. „Das ist beleidigend“, sagte der Vorsitzende des Justizausschusses im Senat, Orin Hatch. „Ich bin froh, daß er das Verhältnis zugegeben hat“, so der Abgeordnete Carles T. Canady, „aber ich war enttäuscht über die Angriffe auf den Sonderermittler. Der Präsident stand vor der Nation, um sein eigenes Verhalten zu erklären.“ Und der ebenfalls republikanische Senator John D. Ashcroft meint: „Wir haben gerade das Ende dieser Präsidentschaft erlebt.“ Clinton habe, so Ashcroft, „die moralische Autorität zur Führung verloren“.

Demokratische Politiker und Clintons Berater haben nur verhaltene Hoffnung, daß die Affäre mit der Rede vorbei sein könnte. „Wir haben sieben Monate hinter uns, in denen wir mit dieser Angelegenheit durch die Hölle gegangen sind“, sagte der frühere Stabschef im Weißen Haus, Leon Panetta, am Montag abend. „Jede Abteilung der Regierung ist davon betroffen, die Präsidentschaft ist geschwächt, das Vertrauen in die Justiz ist untergraben. Der Kongreß ist in seiner Gesetzgebung gelähmt. Ich denke, es ist Zeit, das Land zu heilen.“ Ob das aber mit Clinton an der Spitze geht, wagen viele Kommentatoren zu bezweifeln. Bernd Pickert

Tagesthema Seiten 2 und 3

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