Ansicht der Gefühle

Die Tindersticks und Portishead zelebrieren Melancholie mit Hang zum Visuellen  ■ Von Volker Marquardt

Letztens rief eine Filmproduktionsfirma bei uns an, um sich nach einem Kontakt zu Stuart Staples zu erkundigen. Man wolle gerne ein Stück der Tindersticks in den Soundtrack zu einem Film mit Bela B. von den Ärzten aufnehmen. Nicht gerade eine besonders originelle Idee, gibt es doch zahllose Verbindungen der Vorzeige-Melancholiker aus Nottingham zum Kino.

Schon 1996 steuerten sie den Soundtrack zu Nenette et Boni bei, einem in Frankreich recht erfolgreichen Film über das Liebesleben zweier Geschwister. Seit gut zwei Jahren kursiert ferner das Gerücht, Staples habe unter dem Titel „A Marriage Made In Heaven“ ein Duett mit Isabella Rossellini aufgenommen. Zu hören gibt es diese himmlische Hochzeit erstmals auf der in Kürze erscheinenden Rarity-Compilation. Parallel dazu wurden einige ihrer filmmusikalischen Arbeiten auf der Compilation Mark's Moods zusammengefaßt. Extra für Filmleute hergestellt, wollen sich die Tindersticks damit als Film-musiklieferanten etablieren.

Diese Affinität zum Film kommt nicht von ungefähr. Denn die Tindersticks fertigen – ob akustisch oder orchestral – paßgenaue Stimmungsmusik. Auf bisher drei Alben – zuletzt Courtains – und zwei Live-Alben verbreitet das schon vor Jahren nach London umgezogene Sextett wie nur wenige gut gekleidete Melancholie, die stilsicher am Kitsch-Abgrund vorbeibalanciert. Welche andere Band kann schon Rosenbüsche auf das Cover packen?

Auch Portishead interessiert sich für Synästhesien. Bei der Tournee zum Debut Dummy flimmerte der von Geoff Barrow gedrehte Kurzfilm How To Kill A Dead Man vor dem eigentlichen Auftritt über die Leinwand. Der recht experimentelle Schwarz-Weiß-Film fängt die Geschichte eines Berufskillers ein, der vor einem Hotel auf sein Opfer wartet. Doch die eleganten, kalten Großstadtbilder sind das eigentliche Thema dieser ambitionierten Gangsterballade.

Mit 2,5 Millionen verkauften Platten hatten Portishead vor vier Jahren nicht nur eine enorme Breitenwirkung erzielt, sondern mit der Kombination aus dem Studiotüftler Geoff Barrow und der Chanteuse Beth Gibbons eine Blaupause für zahllose Trip-Hop-Duos erstellt. Doch was soll man machen, nachdem man zusammen mit Massive ein ganzes Genre definiert hat?

Ähnlich wie Tricky entschieden sich die beiden, das Eröffnungsstück und die erste Maxi „Cowboys“ noch manischer und maschineller klingen zu lassen und den Nachfolger so als einen schwer im Magen liegenden Klangbrocken zu formen. Aber auch ein wenig Schalk lugt heraus – und den holen sie sich im Kino. Denn manche der 11 Stücke erinnern deutlich an Agentenfilme, bei „Only You“ stammt ein Sample aus der Titelmelodie von Inspector Clouseau.

Eingeleitet wird der Abend für die gepflegten Melancholiker unter uns von Geoff Barrows Freund, DJ Andy Smith, der sich vor allem bei Soundtracks aus den 60er und 70er Jahren bedient. Klänge, also, und ihre Schnittstellen zum Bild.

Sa, 22. August, 19 Uhr, Stadtpark